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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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Ersatz für ein echtes Haustier nachdenkt, falls man aus gesundheitlichen Gründen kein echtes Tier haben darf. »Da man gegen einen Roboter nicht allergisch sein kann, wäre ein AIBO doch ein prima Ersatz.« Aber während sie mit AIBO vertrauter wird, erkennt sie plötzlich eine viel verlockendere Möglichkeit. »Manchmal«, sagt sie, »könnte ich ihn [AIBO] einem echten lebenden Tier vorziehen, zum Beispiel einer Katze oder einem Hund, denn wenn man einen blöden Tag hatte, dann könnte man den Roboter einfach abschalten und er würde nicht nerven.« Paige hat fünf Haustiere – drei Hunde, zwei Katzen –, und sie sagt, wenn sie traurig sei, dann »knuddle ich mit ihnen«. Das ist schön, aber sie merkt an, dass Haustiere auch anstrengend sein können. »Alle wollen Aufmerksamkeit. Wenn man sich um eines kümmert, dann wollen die anderen auch was von dir, deshalb ist es manchmal ganz schön schwierig … Wenn ich irgendwo hinfahre, vermisst mich meine Katze. Sie geht dann in mein Zimmer und sucht mich.« Der AIBO vereinfacht
die Dinge: »Er schaut einen nicht mit diesem fordernden Spiel-mitmir-Blick an; er schläft einfach ein, wenn es nichts zu tun gibt. Es ist ihm egal.«
    Paige erklärt, das Schlimmste, was ihr jemals widerfahren sei, sei gewesen, dass ihre Familie »den Hund einschläfern ließ«. Einen neuen zu kaufen kam für sie nicht in Frage. »Aber mit dem AIBO ist es etwas anderes«, sagt sie, »den muss man nicht irgendwann einschläfern lassen … Ich glaube, man könnte ihn mit frischen Batterien wieder auf die Beine bekommen … aber wenn ein echter Hund stirbt, kann man ihn nicht mehr reparieren.« Für den Moment ist die Vorstellung, dass der AIBO, wie sie es formuliert, »ewig lebt«, der entscheidende Vorteil, den er gegenüber einer Katze hat. Hier ist der Roboterhund keine Übung für das Reale. Er bietet eine Alternative, eine, die die Unausweichlichkeit des Todes umgeht. 9 Für Paige ist eine Simulation nicht notwendigerweise die zweite Wahl.
    Man betrachtet Haustiere seit langem als gut für Kinder, weil diese dadurch Verantwortung und Verbindlichkeit lernen. Der AIBO ermöglicht etwas anderes: eine Bindung ohne Verpflichtung. Kinder lieben ihre Haustiere, aber manchmal fühlen sie sich überfordert von deren Anforderungen, ganz so wie überforderte Eltern. Das war schon immer so. Nun aber blicken Kinder in eine Zukunft, in der etwas anderes möglich sein könnte. Bei einem Roboterhaustier können Kinder genug Gefühl für eine Bindung aufbringen, sich aber jederzeit wieder abwenden. Sie erlernen eine Art von Verbundenheitsgefühl, das es ihnen erlaubt, nur an sich selbst zu denken. Und doch ist es nicht immer leicht für sie, sich von der Maschine, die ihnen wie ein Zwitter zwischen etwas Lebendigem und etwas Leblosem erscheint, abzuwenden. Es ist nicht so, als würden einige Kinder sich für den AIBO verantwortlich fühlen und andere nicht. Dieselben Kinder hegen oft starke Gefühle in beide Richtungen.
    So gefällt Zara zum Beispiel die Vorstellung, dass der AIBO nicht
gleich krank wird, wenn sie vergisst, mit ihm Gassi zu gehen oder ihn zu füttern. Ihr gefällt die Idee, »Bonuspunkte« für AIBOs Training sammeln zu können, ohne ständig für ihn da sein zu müssen. Und doch sagt Zara auch, der »AIBO bringe einen dazu, sich für ihn verantwortlich zu fühlen«. Auch ihrer Cousine Yolanda gefällt es, dass der AIBO ihr kein schlechtes Gewissen macht, wenn sie ihn nicht beachtet, aber sie verspürt gleichzeitig sogar eine noch größere moralische Hingabe: »Ich würde mich genauso schlecht fühlen, wenn der AIBO sich ein Bein bricht, wie wenn mein echter Welpe sich ein Bein bricht. Ich liebe meinen AIBO.«
    Zara und Yolanda gehen behutsam mit ihren AIBOs um. Andere Kinder aber, die sich mit dem Roboter genauso verbunden fühlen, sind sehr grob. AIBO ist lebendig genug, um Kinder dazu zu bringen, ihre Aggressionen auszuleben, etwas, das wir schon bei den Furbys und den My Real Babys beobachtet haben und bei fortschrittlicheren Robotern erneut beobachten werden. Um zu ergründen, woher diese Aggression kommt, muss man natürlich auch in andere Lebensbereiche der Kinder blicken, aber in AIBOs Fall sehen wir, wie Aggressionen durch die Furcht vor dem Roboter selbst ausgelöst werden können. Unheimliche Objekte sind gleichzeitig beunruhigend und faszinierend.
    Erinnern wir uns an den vierjährigen Henry, der Roboter nach dem Maß ihrer Pokémon-»Kräfte« kategorisiert. Er

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