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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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Spaß zu bereiten, sie dann eben für den Spaß zuständig sein sollen. Falls ein Roboter ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkt als ein gelangweilter Babysitter, dann soll eben der Roboter der Babysitter sein. Falls es in Zukunft liebevolle Roboter gibt, werden Kinder dies freudig akzeptieren. Und sie lassen sich nicht von ihrer Haltung abbringen, falls sie signifikante Unterschiede zwischen ihrer Art zu denken und der Funktionsweise eines Roboters feststellen. Höchstwahrscheinlich würden sie sagen, dass, falls diese Unterschiede sich nicht darauf auswirken, wie der Roboter seine Aufgabe erfüllt, sie es nicht wert seien, dass man sich näher mit ihnen befasst.

    Kinder scheuen sich nicht zuzugeben, dass einige Dinge verloren gehen würden, dass sie Dinge vermissen würden, wenn ein Roboter als Babysitter fungiert. Aber sie konstatieren ganz nüchtern, dass sie das, was sie »vermissen« würden (zum Beispiel eine Mutter zu Hause zu haben, die auf sie aufpasst, wenn sie krank sind), im Moment nicht notwendigerweise haben oder darauf hoffen können, es je zu haben. Kinder erzählen von Eltern, die den ganzen Tag arbeiten und Nachtschichten übernehmen. Gespräche über Familien handeln ebenso sehr von Unzulänglichkeiten wie von positiven Aspekten.
    Die Ansichten, die die Kinder über Roboter hegen, sind eine Art Lackmustest dafür, wie zufrieden sie mit den Menschen sind, die für sie sorgen. Deshalb sind Kinder, die unfähige oder langweilige Babysitter haben, an Robotern interessiert. Wer einen guten Babysitter hat, bleibt bei dem, was er hat.
    Vom Roboterbaby zum Roboterbabysitter
    Jude ist zufrieden mit seiner Babysitterin. »Sie ist kreativ. Sie denkt sich immer lustige Sachen für uns aus.« Er fürchtet, dass ein Roboter an ihrer Stelle zu engstirnig wäre. »Wenn Eltern zu einer Person sagen: ›Kümmere dich um das Kind‹, dann antwortet derjenige nicht einfach: ›Okay, ich passe halt auf, dass dem Kind nichts zustößt. ‹ Nein, die Person wird mit einem spielen, sie wird einen beschäftigen und zusehen, dass man seinen Spaß hat.« Jean-Baptiste stimmt zu. Roboterbabysitter sind nur »in gewisser Weise lebendig … Sie reagieren auf einen, aber eigentlich denken sie nur an ihre Aufgabe. Wenn die darin besteht sicherzustellen, dass man sich nicht verletzt, dann werden sie nicht an Eiscreme denken.« Oder vielleicht wissen die Roboter, was Eiscreme ist, aber sie würden
nicht verstehen, worum es bei einer Portion Schokoeis wirklich geht. Wie schlimm wäre das? Trotz seiner Bedenken sagt Jean-Baptiste, er »könnte einen Roboter lieben, wenn er sehr, sehr nett zu mir wäre«. Der Roboter würde nicht begreifen, dass er nett ist, aber für Jean-Baptiste geht es nicht ums Begreifen, sondern um das Nettsein an sich.
    Manche Kinder sind offen für einen Robotergefährten, weil sie von anderen Menschen schon so oft enttäuscht wurden. Colleen sagt: »Ich hatte mal eine Babysitterin, die ist einfach verschwunden und zu einer Freundin rübergegangen. Ein Roboter würde das nie tun.« Auch wenn sie bei ihr blieben, waren ihre Babysitter oft mit anderen Dingen beschäftigt. »Ich hätte lieber einen Roboter … Der würde mir seine ganze Aufmerksamkeit schenken.« Octavio sagt, menschliche Babysitter seien besser als Roboter, »wenn man sich langweilt« – menschliche Babysitter denken sich bessere Spiele aus. Aber mit den Mahlzeiten machten sie es sich oft zu einfach. »Cornflakes zum Abendessen? Das ist blöd. Abends möchte ich Nudeln oder Hähnchen essen, keine Cornflakes.« Aufgrund seiner »Programmierung« würde ein Roboter wissen, was ein angemessenes Abendessen sei und es auf den Tisch bringen. Oder zumindest wäre der Roboter so programmiert, sagt Octavio, dass ihn seine (Octavios) Einwände interessieren würden. Eine Programmierung bedeutet, dass man dem Roboter vertrauen kann. Octavios Klassenkamerad Owen stimmt zu. Es ist leichter, einem Roboter zu vertrauen als einem Menschen: »Man kann einem Menschen nur vertrauen, wenn man weiß, wer er ist. Einen Menschen muss man besser kennen [als einen Roboter] … Den Roboter braucht man nicht zu kennen oder man würde ihn viel schneller kennen lernen.«
    Owen wertet nicht die »menschliche Art« des Vertrauens ab, das Menschen zueinander aufbauen, die miteinander zu tun haben. Aber er sagt, dass es eine lange Zeit brauche, bis menschliches Vertrauen
sich entwickelt habe, während das Vertrauen zum Roboter schlichtweg darin bestehe, ein Programm

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