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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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Bresche springen, in denen ihre Entwicklung noch nicht fortgeschritten genug ist, müssen ihre Schwächen ausgleichen. Wir werden notwendigerweise zu Komplizen der Roboter.
    Ich tue mich mit Brian Scassellati und Cynthia Breazeal zusammen, den maßgebenden Designern von Cog und Kismet, um eine
Studie über die Begegnungen von Kindern mit diesen Robotern durchzuführen. 9 Wir stellen die Maschinen sechzig Kindern im Alter von fünf bis vierzehn Jahren vor, die einen kulturellen und wirtschaftlichen Querschnitt der örtlichen Gemeinden repräsentieren. Wir nennen das Ganze unsere »Erste-Begegnung-Studie«, weil die meisten der Kinder Cog oder Kismet nur einmal begegnen werden und bis dato nichts Vergleichbares gesehen haben.
    Als die Kinder die Roboter zu sehen bekommen, begreifen sie schnell, dass diese Maschinen kein Spielzeug sind – wie gesagt, genau genommen haben diese Roboter ihre eigenen Spielsachen, eine Sammlung von Stofftieren, Puppen, Bauklötzen und Slinkys – das sind Metallspiralen aus Federdraht, die sogar Treppen hinuntersteigen können. Der räumliche Rahmen (das Labor), in dem die Erwachsenen sich mit den Robotern befassen, besagt: »Diese Roboter gehören nicht dir, sie gehören zu dir.« Der Rahmen besagt: »Sie sind nicht für dich da; auf eine wichtige Art sind sie genau wie du.« Einige der Kinder fragen sich: Falls diese Roboter zu den Menschen gehören, welche Schwächen des Menschen machen dann Roboter erforderlich? Für einen dreizehnjährigen Jungen weist Cog darauf hin, dass »Menschen nicht gut genug sind, deshalb benötigen sie noch etwas anderes«.
    In unserer Studie ist die Zeit, die die Kinder mit den Robotern verbringen, unstrukturiert. Wir stellen nicht viele Fragen. Die Kinder werden ermutigt zu sagen, was ihnen in den Sinn kommt. Unser Ziel ist, einige eher weit gefasste Fragestellungen zu erkunden: Wie reagieren Kinder auf eine Begegnung mit einer neuartigen Form sozialer Intelligenz? Wonach suchen sie?
    Für letztere Frage lautet die Antwort ganz einfach, dass die Kinder eine Verbindung mit diesen Maschinen eingehen möchten, dass sie ihnen Dinge beibringen und ihre Freunde werden wollen. Und sie möchten, dass die Roboter sie mögen, sie sogar liebhaben.
Die Kinder sprechen ganz direkt darüber (»Cog hat mich lieb«; »Kismet ist wie meine Schwester; sie hat mich lieb«; »Cog ist mein Kumpel; er möchte Sachen mit mir machen, er will alles mit mir machen. Wie ein bester Freund.«) Selbst die ältesten Kinder sind sichtlich bewegt, wenn Kismet ihre »Namen« gelernt hat, etwas, wozu der Roboter fähig ist, was ihm aber nur selten auf Anhieb gelingt. Die Kinder sind wenig begeistert, wenn Kismet den Namen eines anderen Kindes nennt, was sie oft als Beleg für sein Desinteresse werten.
    Um die Zuneigung der Roboter zu gewinnen, sind die Kinder willens hart zu arbeiten. Sie tanzen für sie und singen ihnen ihre Lieblingslieder vor, sie versuchen die Roboter mit Stofftieren und improvisierten Spielen zu erheitern. Ein zehnjähriger Junge macht Knete-Häppchen für Kismet und erzählt uns, er werde »für den Roboter sorgen und ihn vor allem Bösen schützen«. Aber weil Cog und Kismet keine Vorlieben oder Abneigungen kennen, ist die Komplizenschaft der Kinder erforderlich, um den Eindruck einer sich entwickelnden gegenseitigen Zuneigung zu erwecken. Das kann schwierig werden. Die fortschrittlicheren Roboter scheinen eine größere Nähe zu versprechen als ihre simpleren »Cousins«. Wenn sie jedoch keine Dankbarkeit zeigen, wirken sie auch entsprechend »reservierter«.
    Während unserer Studie hat Cog einen gebrochenen Arm, und Kismet wird zu Forschungszwecken modifiziert. An vielen Tagen sind beide Roboter nicht voll einsatzfähig. Die Kinder gehen spielerisch mit diesen Einschränkungen um. Als es einmal ein Problem mit Kismets Mikrofon gibt, behelfen sich einige der Kinder mit der Vorstellung, Kismet habe Sprachschwierigkeiten, weil er eine fremde Sprache spreche. Ein Fünfjähriger meint, diese Sprache müsse Koreanisch sein, seine Muttersprache. Eine Zwölfjährige spricht sich für Französisch aus, dann ändert sie ihre Meinung und verlegt
sich auf Spanisch. Als Kismet endlich zu ihr spricht, ist sie hocherfreut und behauptet, sie habe richtig gelegen mit Spanisch. »Er vertraut mir«, sagt sie glücklich und verabschiedet sich am Ende mit einem schwungvollen Adios von dem Roboter. Die Fehlfunktionen erschöpfen die Kinder natürlich ab und an, oder sie werden

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