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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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›Haus‹ sagt … Ich kann ihm beibringen, ›Haus‹ zu sagen.« (Sie klopft sich mit der rechten Handfläche an den Kopf, das Zeichen für Haus.) Dann folgen die Zeichen für »essen« und »Ich habe dich lieb«, und Cog blickt währenddessen auf Brookes Hände. Sie ist glücklich, dass er ihr zusieht. »Er hat mich auf jeden Fall lieb.«
    Nun, wo sie sich erfolgreich und zum Wettstreit bereit fühlt, prahlt Brooke, sie habe eine innigere Beziehung mit Cog, als ihre Schwester es später haben wird. »Sie wird wahrscheinlich nur mit Cog sprechen wollen. Ich rede nicht nur, ich bringe ihm Sachen bei.« Als Brooke aufbricht, verkündet sie dem Forschungsteam: »Ich wollte, dass er zu mir spricht. Ich weiß, dass der Roboter (Kismet) im Nebenraum sprechen kann. Aber ich hätte wirklich gewollt, dass Cog es auch kann.«
    Scassellati kennt solche Einwände. Er hat sieben Jahre lang an
Cog gearbeitet und währenddessen viele Menschen erlebt, die zunächst ganz begeistert von dem Roboter waren und dann tief enttäuscht, weil er nicht mit ihnen sprach. Er nutzt diese Studie für ein Experiment über, wie er es nennt, »verantwortungsvolle Pädagogik«. Dreißig der Kinder in unserer Studie nehmen an einer gesonderten Sitzung teil, bei der Scassellati Cog »entzaubert«. Scassellati schaltet die Elemente, die Cogs Intelligenz und Autonomie bewirken, eines nach dem anderen ab. Ein Roboter, der anfangs Blickkontakt herstellen und menschliche Bewegungen imitieren konnte, wird zur einfachen Puppe.
    Später weiht Scassellati Brooke und Andrea in weitere Geheimnisse des Roboters ein. Er zeigt den Schwestern auf Cogs vier Monitoren, was der Roboter »sieht«, und bedeckt dann dessen »Augen«  – zwei Kameras für die Nahsicht, zwei für die Fernsicht. Die Mädchen sehen, wie ein Monitor nach dem anderen schwarz wird. Sie bekommen eine Computermaus, die Cogs Bewegungen steuert, und dürfen ihn »fahren«.
    Gemeinsam lassen die Schwestern Cog auf sie zukommen. Als Cog sie »sieht« – wie ein Blick auf die Monitore belegt –, ist der ruhige, sachliche Tonfall der Entzauberung dahin. Brooke ruft aufgeregt: »Er schaut uns an!«, und das sorgsam aufgebaute Gefühl von Cog als Mechanismus ist blitzartig verschwunden. Sogar als die Mädchen den Roboter nur noch wie eine Puppe bewegen können, denken sie noch an den autonomen Cog zurück und sind sich sicher, dass es ihm »gefällt«, sie anzusehen.
    Im weiteren Verlauf des Entzauberns versucht Scassellati zu demonstrieren, dass Cogs Vorlieben und Abneigungen von seiner Programmierung abhängen. Er zeigt den Mädchen, dass das, was Cogs Aufmerksamkeit weckt, in einem roten Feld auf dem Computerbildschirm geschrieben steht. Was man in dieses Feld einträgt, erachtet das Programm als beachtenswert. So wird Cog zum Beispiel aufgetragen,
nach etwas Rotem und Fleischfarbenem zu suchen, eine Kombination, die ihn nach einer Person mit einem roten Hemd suchen lässt.
    Trotz dieser Lektion bezeichnen die Schwestern das rote Feld als »Kasten, in dem steht, was Cog gefällt«, und Brooke freut sich, als Cog sich zu ihrer Hand hinwendet. »Ja, er mag meine Hand.« Sie versuchen Cogs Interesse mit einer bunten Stoffraupe zu wecken, die es zu ihrem Entzücken ebenfalls schafft, Cogs Aufmerksamkeit zu erregen. Cog mag auch Brookes Bein. Aber es befremdet sie, dass Cog die Mickymaus-Puppe nicht mag. Einerseits versteht Brooke, dass Cogs mangelndes Interesse an Mickys Färbung liegt, halb schwarz und halb rot. Das Schwarz verhindert, dass Micky als Favorit erkannt wird. »Ich verstehe«, sagt Brooke. »Micky ist nur zur Hälfte rot.« Andererseits redet sie weiterhin so, als läge es in Cogs Macht, Micky zu einem Favoriten zu machen. »Ich möchte unbedingt, dass Cog die Mickymaus mag. Ich mag sie nämlich. Vielleicht versucht er ja, Micky zu mögen.«
    Die Kinder erfüllen Cog mit Leben, obwohl man ihnen zeigt, wie der Roboter funktioniert. Trotz Scassellatis Erklärungen möchten die Kinder, dass Cog lebendig genug ist, um Autonomie und eine Persönlichkeit zu besitzen. Das lassen sie sich von niemandem nehmen. Scassellatis Bemühungen, den Roboter »transparent« zu machen, sind so ähnlich, wie wenn man jemandem erklärt, dass der Verstand seines besten Freundes aus elektrischen Impulsen und chemischen Reaktionen bestehe. Diese Erklärung mag zutreffen, aber sie ändert gewiss nichts an der bestehenden Beziehung.
    Scassellati sorgt sich, dass Cogs lebensechte Schnittstelle trügerisch sein

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