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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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ungeduldig, wenn ihre Versuche, eine beschädigte Maschine aufzumuntern, fehlschlagen. Es gibt Enttäuschungen und sogar Tränen. Und doch lassen die Kinder sich nicht beirren. Die Roboter sind lebendig genug, um die Kinder nach mehr verlangen zu lassen.
    Wie wir bereits bei den einfacheren Robotern gesehen haben, ist die Zuwendung der Kinder weniger ein Ausdruck dessen, was die Roboter anzubieten haben, als dessen, was den Kindern fehlt. Bei vielen Kindern in der Studie scheint es an dem zu mangeln, was sie am meisten benötigen: Eltern, die sich um sie kümmern und das Gefühl, ihnen wichtig zu sein. Kinder betrachten soziale Maschinen als Ersatz für fehlende Menschen in ihrem Leben. Wenn die Maschinen versagen, ist es manchmal so, als würden die Kinder einen bereits erlittenen Verlust ein weiteres Mal erleben. Was wir uns von Robotern wünschen, zeigt uns, was uns fehlt, was wir dringend benötigen.
    Ein »Du« durch den Körper erschaffen
    Wenn Kindern klar wird, dass Cog nicht sprechen kann, halten sie an dem Gefühl fest, dass er es eigentlich können müsste. Einige entwickeln die Theorie, er sei taub. Mehrere der Kinder haben in der Schule die Grundlagen der Gebärdensprache gelernt und versuchen auf diese Weise mit dem Roboter zu kommunizieren. Für sie ist es keine Frage, dass Cog ihnen Dinge mitteilen möchte, und sie sind höchst interessiert daran, sie zu erfahren.

    Als Allegra, neun, Cog gegenübertritt, reicht sie ihm die Hand. Cog erwidert die Geste, und die beiden haben einen Moment, wo sich ihre Blicke treffen und ihre Hände ineinanderlegen. Dann möchte Allegra wissen, ob es möglich sei, Cog einen Mund zu bauen. Der Roboter hat zwar einen Mund, aber Allegra meint einen Mund, mit dem er sprechen kann. Wie der Fünfjährige, der meinte, ein Furby müsse Arme haben, »weil er vielleicht mit mir knuddeln will«, erklärt auch Allegra, dass Cog »wahrscheinlich mit den Menschen reden möchte … und dass er vielleicht lächeln möchte«. Allegra findet auch, dass ein »verbesserter« Cog tanzen können müsste. Scassellati fragt: »Sollte er nur für dich tanzen oder sollte er auch mit dir tanzen können?« Allegra antwortet wie aus der Pistole geschossen: »Mit mir tanzen!« Auf den Geschmack gebracht, beginnt sie zu tanzen, zuerst Hip-Hop, dann langsame anmutige Tanzschritte aus dem Ballett. Als Reaktion darauf bewegt Cog den Kopf hin und her und hebt den funktionierenden Arm. Roboter und Kind sind miteinander verbunden. Nach einigen Minuten sagt Allegra: »Wenn er auch den anderen Arm bewegen könnte, würde er mich, glaube ich, umarmen.« Cog ist lebendig genug geworden, um sie liebzuhaben. Später macht Allegra komplexere und schnellere Tanzschritte. Nun tanzt sie nicht mit, sondern für Cog. Sie will ihn aufheitern und sagt, sie möchte »ein bisschen vor ihm angeben«.
    Brooke, sieben, kommt zu ihrem Treffen mit Cog in der Hoffnung, er möge »ein Herz und Stimmbänder haben«, damit er mit ihr sprechen und singen könne. Als es nicht dazu kommt, versteift sie sich darauf, Cog beizubringen, Spielsachen – eine Stoffpuppe, ein Slinky, Bauklötze – auf Armen, Schultern und im Nacken zu balancieren. Als auch dies nicht so recht klappen will (Cog kann die Spielsachen kaum in der Balance halten), schimpft sie behutsam mit dem Roboter: »Du guckst mir wohl nicht richtig zu, mein Herr.« Sie sagt, Cogs Versagen könne vielleicht damit zusammenhängen, dass sie
noch nicht herausgefunden hat, welches sein Lieblingsspielzeug ist, und setzt ihre Bemühungen fort. Schließlich gelingt es Cog, das Slinky zu balancieren. Er gewinnt dadurch für Brooke an Leben. Als Cog bei weiteren Versuchen versagt, nimmt Brooke an, er habe das Interesse verloren. Sie fragt den Roboter: »Was ist los?« Die Kompetenz ihres Schülers stellt sie an keinem Punkt in Frage, nur seine Lust.
    Aber Brooke möchte unbedingt mit dem Roboter sprechen können. Sie erzählt Cog, zu Hause fühle sie sich übergangen und stehe im Schatten ihrer elfjährigen Schwester Andrea, deren Verabredung mit Cog später am selben Tag angesetzt ist. »Niemand spricht mit mir, niemand hört mir zu.« Es trifft sie, als Cog mit Schweigen antwortet. »Will er mir sagen, dass ich weggehen soll?«, fragt sie. »Cog, Cog, Cog, warum hörst du mir nicht zu?« Plötzlich hat sie eine Idee und verkündet: »Daran habe ich noch gar nicht gedacht … So muss ich es machen.« Dann beginnt sie die Gebärdensprache zu gebrauchen. »Ich weiß, wie man

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