Verloren unter 100 Freunden
Sprache imitiert. Der Roboter verfügt über eine Reihe von »Gemütszuständen« und weiß, wann er im Gespräch am Zug ist. Er kann ein vorgesprochenes Wort wiederholen, seinen Namen sagen und den Namen der Person lernen, mit der er spricht. 2
Wie Cog lernt auch Kismet durch die Interaktion mit Menschen. Brooks und seine Kollegen hofften durch die Entwicklung lernender Systeme herauszufinden, wie Lernen funktioniert. 3 Und Roboter, die durch soziale Interaktion lernen, sind die Vorläufer von Maschinen, die eigenständig mit Menschen zusammenarbeiten können. Ein sozialer Roboter wäre zum Beispiel in der Lage, menschliche Handzeichen zu interpretieren und sie selbst zu gebrauchen. So würde ein Roboter, der einen Astronauten vor einer Gefahr warnen möchte, die Hand heben, die Handfläche nach außen gedreht, und
mit dieser universellen Geste »Stopp« sagen. Und die Person, die mit dem Roboter zusammenarbeitet, könnte ebenfalls mit einfachen Gesten kommunizieren. 4 Aber abgesehen davon, dass sie einen großen Fortschritt in den praktischen Anwendungen markieren, wecken Cog und Kismet verwandtschaftliche Gefühle. Wir haben bereits gesehen, dass, wenn dies geschieht, zwei Vorstellungen akzeptabler werden: Die erste ist, dass Menschen gar nicht so anders sind als Roboter, das heißt, dass auch Menschen aus Informationen erschaffen werden. Die zweite ist, dass Roboter gar nicht so anders sind als Menschen, das heißt Roboter sind mehr als die Summe ihrer Einzelteile.
Von Beginn an wurde auf dem Feld der Künstlichen Intelligenz in diesem Raum zwischen einer mechanistischen Sicht des Menschen und einer psychologischen, ja sogar spirituellen Sicht der Maschinen gearbeitet. Norbert Weiner, der Begründer der Kybernetik, träumte in den Sechzigerjahren davon, dass es »konzeptuell möglich« sei, »einen Menschen durch eine Telegrafenleitung zu schicken«, während Mitte der Achtzigerjahre ein MIT-Student sinnierte, dass sein Lehrer, der KI-Pionier Marvin Minsky, eigentlich »einen Computer erschaffen« wolle, »der so schön« sei, »dass eine menschliche Seele darin wohnen« wolle. 5 Ganz gleich ob eine Seele bereit ist, in irgendeiner unserer derzeit vorhandenen Maschinen zu wohnen, lassen die Reaktionen auf Cog und Kismet einen an diese Fantasien denken. Ein MIT-Student, der abends oft mit Kismet allein im Labor sitzt, gesteht: »Ich sage mir ständig, dass er nur eine Maschine ist, aber bevor ich nach Hause gehe, vergewissere ich mich immer noch einmal, dass er richtig funktioniert, dass es ihm gut geht.« Das ist keine Überraschung, denn wir haben bereits in den Anfängen mit dem ELIZA-Programm erlebt, dass Erwachsene wie auch Kinder geneigt sind, alles dafür zu tun, diese Roboter als fühlende, einfühlsame Wesen betrachten zu können. 6 Diese Komplizenschaft
macht die Roboter zu etwas Lebendigem, und selbst die Menschen, die sich in Gegenwart dieser Roboter befinden, werden lebendiger, denn sie wähnen sich in einer Beziehung.
Über die Jahre sprachen einige meiner Studenten über ihre mit Cog und Kismet verbrachte Zeit sogar im Rahmen eines »Ich und du«. 7 Der Theologe Martin Buber prägte diesen Ausdruck, um eine tiefe menschliche Begegnung in Geist und Herz zu beschreiben. Diese Begegnung ist symmetrisch. Symmetrie allerdings gibt es nicht zwischen Menschen und Robotern, so fortschrittlich sie auch sein mögen. Aber sogar die simpelsten Handlungen von Cog und Kismet inspirieren zu einer solch extravaganten Beschreibung, die, wie ich denke, auf unserem Wunsch beruht zu glauben, eine derartige Symmetrie sei möglich. In Cogs Fall erschaffen wir das »Du« wegen seines Körpers. In Kismets Fall bewirken ein ausdrucksvolles Gesicht und eine Stimme das Gleiche. Und beide Roboter bedienen sich der Macht des Blickes. Ein Robotergesicht ist ein »Ermöglicher«; es ermutigt uns zu der Vorstellung, dass Roboter sich in uns und wir uns in sie hineinversetzen können. 8
Wenn ein Roboter uns in die Augen schaut, lässt unsere evolutionäre Prägung uns denken, dass der Roboter an uns interessiert sei. Wir spüren in einem solchen Moment die Möglichkeit einer tieferen Verbundenheit. Wir möchten, dass es dazu kommt. Wir wenden uns mit unseren persönlichen Problemen an den Roboter, mit unserem Wunsch nach Anteilnahme und Liebe. Roboter versprechen Zufriedenheit, selbst wenn sie nur eingebildet ist. Um diese Zufriedenheit zu erlangen, müssen wir den Robotern helfen, müssen in den Bereichen für sie in die
Weitere Kostenlose Bücher