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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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einen Plastikdinosaurier zeigt, sagt Kismet etwas, das wie »Derkscherk« klingt, und Fred interpretiert dies als Kismets Aussprache von »Dinosaurier«. Während eines Wortwechsel über seine Lieblingsspeisen verkündet Fred triumphierend: »Siehst du! Er hat Käse gesagt! Er hat Kartoffel gesagt!«
    Während Kismet eine Zeit lang schweigend dasteht, sagt Fred: »Vielleicht wird ihm nach einer Weile langweilig.« Als Kismet kein Interesse an seinen Spielsachen zeigt, meint Fred: »Wahrscheinlich lenken sie Kismet ab.« An diesem Punkt erklärt das Forschungsteam Fred Kismets Funktionsweise – die Kismet-Version von Scassellatis »Cog-Entzauberung«. Wir zeigen Fred den Monitor, der anzeigt, was Kismet »hört«. Fred wiederholt fasziniert, was er auf dem Monitor sieht, und hofft, Kismet würde ihn dadurch vielleicht leichter verstehen. Als diese Strategie zu keiner Reaktion führt, schiebt Fred die Schuld auf Kismets schlechtes Gehör. Aber am Ende gelangt Fred zu dem Schluss, dass Kismet nicht mehr mit ihm spreche, weil er seine Brüder lieber mag. Fred fühlt sich lieber zurückgewiesen, als Kismet als nicht adäquaten Bezugspartner zu betrachten.
    Amber, sechs, kämpft ebenfalls darum, Kismet genügend Lebendigkeit zuzubilligen, um seine Freundin sein zu können. An dem Tag, als Amber ans MIT kommt, ist Kismets Gesicht ausdrucksstark, aber mit seiner Stimme gibt es technische Schwierigkeiten. Unbeeindruckt löst das kleine Mädchen das Problem, indem es Kismets Part bei der Unterhaltung übernimmt. So tritt sie mit einem Spielzeug
vor Kismet und fragt ihn, ob es ihm gut gehe. Als Kismet schweigt, antwortet sie für ihn mit einem »Na klar!«.
    Als Kismet nach einigen Minuten stockend zu sprechen beginnt, folgt Ambers prompte Reaktion: »Er mag mich!« Nun brabbelt Kismet vor sich hin, und Amber interpretiert das Gebrabbel. Das kleine Mädchen spricht laut aus, was Kismet hatte sagen wollen, und führt dann eine auf ihrer Interpretation basierende Unterhaltung mit ihm. Bevor sie Kismet verlässt, versucht Amber mit aller Kraft, den Roboter »Ich habe dich lieb« sagen zu lassen. Nach einem halben Dutzend Versuchen sagt Kismet etwas, das sich halbwegs danach anhört. Amber dankt Kismet, erwidert: »Ich habe dich auch lieb« und gibt dem Roboter einen Abschiedskuss.
    In mancherlei Hinsicht gleicht Ambers Zeit mit Kismet dem Spiel mit einer traditionellen Puppe, bei dem das Kind beide Seiten der Interaktion übernehmen muss. Aber selbst im schlechtesten Zustand erweckt Kismet noch den Anschein, eine Bezugsaufnahme zu versuchen . Ist er voll funktionsfähig, scheint Kismet aufmerksam und dauerhaft am Gespräch teilzunehmen. Wie bei Cog kann man auch Kismets Fehlfunktionen als Enttäuschung oder Zurückweisung interpretieren – eine sehr menschliche Sichtweise. Eine normale, traditionelle Puppe kann einen nicht aktiv zurückweisen. Wenn Kinder einen sozialen Roboter sehen, der sie nicht beachtet, sehen sie etwas, das für sie lebendig genug ist, um sie absichtlich zu ignorieren.
    Mit Zuwendung ein »Du« erschaffen
    Die Kinder versuchen Cog und Kismet nahe zu kommen, indem sich um sie bemühen. Sie fragen die Roboter, wie es ihnen gehe, ob sie glücklich seien, ob ihnen die Spielsachen gefallen. Robyn, der
Neunjährige, der glaubt, Kismet sei eingeschlafen, als er plötzlich verstummt, denkt, der Roboter sei lebendig, weil »er spricht und sich wie ein Mensch bewegt«. Als Kismet technische Probleme entwickelt, möchte Robyn ihn nach Hause mitnehmen, um »ihm Essen und Trinken zu geben, damit er nicht stirbt; falls er sich krank fühlt, würde ich ihm eine Schmerztablette geben, und ich würde ihm ein eigenes Zimmer einrichten«. In dem Zimmer, erklärt Robyn, gäbe es einen Fernseher, mit dem Kismet sich »andere Roboter anschauen könnte, damit er seine Familie und Freunde nicht so vermisst«.
    So wie die Kinder es sehen, unterrichten sie die Roboter, und die Roboter wissen es zu schätzen, selbst wenn sie nicht die gelehrigsten Schüler sind. Mehr als die Hälfte der Kinder in der Erste-Begegnung-Studie sagen von alleine, dass sie die Roboter liebhaben würden und dass die Roboter dieses Gefühl erwidern. Diejenigen, die nicht von Liebhaben sprechen, erzählen dennoch, dass Cog und Kismet sich während der Lektionen »große Mühe« gegeben hätten. Wenn die Kinder den Robotern ein Lob aussprechen, hört man beinahe so etwas wie elterlichen Stolz heraus. Wenn den Robotern selbst das kleinste Unterfangen gelingt,

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