Verloren unter 100 Freunden
entfernt, einen Roboter wie David zu bauen –, sondern welche Gefühle dies in Monica weckt. Sie ist eine Frau, die auf eine um Zuwendung bittende Maschine eingeht und mit Verwirrung, Liebe und Verbundenheit reagiert.
Es wäre leicht, zwischen Breazeals Situation und der von Monica in A.I. eine simple Analogie herzustellen, aber Breazeal ist tatsächlich einer der ersten Menschen, die die im Film geschilderte Erfahrung machen – Traurigkeit zu erleben wegen der Trennung von einem Roboter, zu dem man eine tiefe Verbundenheit entwickelt hat. Das Thema hier ist nicht der von Kismet entwickelte Intelligenzgrad, sondern Breazeals Entwicklung: In einem sehr begrenzten Sinn hat sie Kismet »großgezogen«. Aber schon dieses Erlebnis weckt starke Emotionen. Eine Maschine »großzuziehen« macht uns in gewissem Sinn zu ihren Eltern. Diese neuartige Beziehung erzeugt eine ganz eigene Wechselwirkung, zieht uns in eine Komplizenschaft hinein, die die Wechselwirkung erst ermöglicht. Wir werden von der Maschine gebeten, sie großzuziehen, und möchten ihr helfen. Wir öffnen uns ihr und spielen mit, sind gewillt, uns dem anzupassen, was der Roboter zu leisten imstande ist.
In Geschichten und Mythen stellen Menschen sich vor, »Gott zu spielen« und neue Lebensformen zu erschaffen. In unserer derzeitigen Wirklichkeit bekommt dieser Topos durch Roboter eine neue Dynamik. Wir haben etwas erschaffen, das wir als »jemand anderen« betrachten, als Gleichgestellten, nicht als etwas, über das wir gottähnliche Macht besitzen. Während diese Roboter immer raffinierter werden, werden unsere Gefühle immer stärker. Unsere Menschlichkeit treibt uns dazu, diesen Maschinen zumindest einen Teil der Anerkennung zu gewähren, die wir für andere Menschen aufbringen. Weil wir nach Gegenseitigkeit streben, möchten wir,
dass die Roboter uns genauso mögen wie wir sie – ein Wunsch, der uns verletzlich macht.
Ich habe bereits von der unheimlichen Glaubwürdigkeit der Interaktion zwischen Madison und Kismet berichtet und der Verzweiflung von Kindern, die diese Roboter allzu sehr zu brauchen scheinen. Cog und Kismet sind höchst erfolgreich darin, Kinder dazu zu bringen, einen »echten« Bezug zu ihnen zu entwickeln. Es ist dieser Erfolg der Roboter, der mich innehalten lässt, genauso wie die Aussicht auf »Gespräche« zwischen immer lebensechter agierenden Robotern und den Bedürftigsten unter uns – benachteiligten jungen Menschen, gebrechlichen Senioren und emotional und körperlich Behinderten. Roboter-Konstrukteure möchten, dass wir uns ein »bestmögliches« Szenario vorstellen, in dem Roboter uns als Mentoren dienen, als Übungspartner für komplexere Begegnungen. Selbst das My Real Baby wurde als ein Roboter vermarktet, der Kindern beibringt, sich zu »sozialisieren«. Ich bin skeptisch. Ich glaube, dass soziale Technologie immer enttäuschen wird, weil sie etwas verspricht, das sie nicht einzulösen vermag. Sie verspricht Freundschaft, liefert aber nur Darbietungen. Möchten wir uns wirklich Freunde zusammenbasteln, die niemals unsere Freunde sein können?
Roboter-Konstrukteure argumentieren, dass es keinen Schaden anrichte, wenn Menschen sich mit Robotern unterhielten; die Gespräche können interessant, lustig, lehrreich oder tröstlich sein. Aber dies überzeugt mich nicht. Sich eine Maschine als Freund zuzulegen, entwertet, was wir unter Freundschaft verstehen. Wen wir mögen, wer uns mag – diese Dinge machen uns zu dem Menschen, der wir sind. Als Madison sich so sehr über Kismets »Zuneigung« freute, konnte ich mich nicht mitfreuen. Zu deutlich empfand ich die Schattenseiten eines – gerade beginnenden – Experiments, bei dem Menschen die Subjekte sind.
Schon jetzt bringt unsere Aufregung über die Möglichkeiten der Roboter/Mensch-Interaktion unsere Gefühle durcheinander. In einem veröffentlichten Experiment werden zwei junge Kinder gebeten, Zeit mit einem Mann und seinem Roboter-Klon zu verbringen. 14 Das Experiment hat einen bedeutsamen Hintergrund. Der japanische Roboterkonstrukteur Hiroshi Ishiguro baute Androiden, die ihn selbst, seine Frau und seine fünfjährige Tochter darstellen. Als sie ihren Roboterklon zum ersten Mal sah, war die erste Reaktion der Tochter zu fliehen. Sie weigerte sich, dem Roboter nahezukommen, und ging fortan nicht mehr ins Labor ihres Vaters. Jahre später, als die Tochter zehn war, entwickelte eine Psychologengruppe eine Studie, bei der dieses Mädchen und ein vierjähriger
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