Verloren unter 100 Freunden
Junge (ein Sohn eines der Forscher) gebeten wurden, mit Ishiguro und seinem Androidendouble in Kontakt zu treten. Anfangs agieren beide Kinder nur widerwillig mit der Maschine. Nach einer Weile aber ist ihre Interaktion (nach gezählten Blickkontakten und Wortwechseln) mit dem Mann und dem Roboter beinahe gleich intensiv. Am Ende ist Ishiguros Tochter in der Lage, allein mit dem Klon ihres Vaters im Zimmer zu sitzen. Es ist schwierig, diese Geschichte eines verängstigten Kindes zu kommentieren, dessen Einwände gegen seine Rolle im Experiment immer schwächer werden. Viel Positives scheint sich darin nicht zu finden. Dennoch sehen die Autoren der Studie diese Geschichte als Belege für ihren Erfolg: Kinder werden offen sein für menschenartige Roboter als Lehrer, Babysitter und Gefährten. Aber was könnte es für das Kind bedeuten, mit dem Maschinendouble seines Vaters zusammen zu sein? Was könnte sie von ihm wollen? Welche Rolle spielt es schon, dass sie schließlich willens ist, dem Klon in die Augen zu schauen und mit ihm zu reden? Warum sollten wir dies von ihr verlangen? Es ist einfach, sich so sehr in soziale Technologien zu vertiefen, dass wir unser Wissen vom Leben darüber ignorieren.
6. Kapitel
Verlorene Liebesmüh’
Als Takanori Shibata im Frühjahr 2009 bei einer Konferenz im MIT AgeLab die Bühne betrat, wirkte er wie ein Triumphator. Bei der Tageskonferenz ging es um Roboter für Senioren, und Shibata, der Erfinder des kleinen robbenähnlichen sozialen Roboters Paro, war der Ehrengast. Die Aufgabe des AgeLabs besteht in der Entwicklung von Technologien, die die körperlichen und emotionalen Bedürfnisse alter Menschen bedienen, und Paro hatte auf diesem Gebiet bereits eine Vorreiterrolle erlangt. Im Jahr 2002 im Guinness-Buch der Rekorde als »Roboter mit dem größten therapeutischen Nutzen« geehrt, war Paro zum Inbegriff von Japans Initiative für den Einsatz von Robotern in der Altenpflege geworden. 1 Nun verkündete Shibata stolz, dass Dänemark soeben eintausend Paros für seine staatlichen Altenpflegeheime bestellt habe. Die Konferenz im AgeLab war der Startschuss für Paros amerikanische Markteinführung.
Shibata führte eine Reihe von Videofilmen vor: lächelnde Rentner in japanischen Altenpflegeheimen mit dem kleinen pelzigen Geschöpf auf dem Schoß; alte Menschen, die zu Hause leben und von der Wärme und Liebe erzählen, die Paro ihnen schenke; unruhige, hochgradig nervöse Senioren, die sich in Paros Gegenwart entspannen. 2 Voller Begeisterung erörterten die Konferenzteilnehmer Ideen, wie sich Paros Akzeptanz in der amerikanischen Altenpflege fördern ließe. Die Konstrukteure, Ärzte, Vertreter des Gesundheitswesens und Journalisten diskutierten, welche Art der Klassifizierung Shibata wählen sollte, um Paro den steinigen Weg
durch das legendäre Prüfungsverfahren der amerikanischen Nahrungsmittel- und Medikamentenbehörde zu erleichtern.
Ich habe bei der Konferenz nur einen einzigen negativen Kommentar gehört. Eine Frau, die sich als Altenpflegerin vorstellte, sagte, sie und ihre Kollegen hätten lange und hart dafür gearbeitet, dass alte Menschen nicht als infantil wahrgenommen würden. Ihr persönlich erscheine Paro als »Rückschritt, ein neuer und hübscherer Teddybär«. Am Ende ihrer Wortmeldung sagte sie, sie glaube, die Angehörigen ihres Berufsstandes würden den Einsatz von Paro und ähnlichen Objekten in Altenpflegeheimen ablehnen. Ich senkte den Blick und sagte nichts, denn ich hatte beschlossen, der Konferenz als Beobachterin beizuwohnen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich Paro in einigen Altenpflegeheimen in Massachusetts schon einige Jahre lang auf eigene Faust studiert. Die meisten Pfleger und Heimleiter waren glücklich über die Ablenkung, die der Roboter den Heimbewohnern bot. Ich war mir alles andere als sicher, dass das Pflegepersonal sich tatsächlich gegen Paros landesweite Einführung aussprechen würde.
Der Einwand der Altenpflegerin erntete eisiges Schweigen, etwas, das ich bei derartigen Zusammenkünften schon des Öfteren erlebt habe. Wenn es um Roboter geht, werden neue Modelle selten in Frage gestellt. Man konzentriert sich einzig auf die technische Leistungsfähigkeit und die Einsatzmöglichkeit. Die Anwesenden im AgeLab wendeten sich anderen Fragen zu, zum Beispiel Paros Preis, der zurzeit bei sechstausend Dollar pro Stück liegt. War dies zu teuer für eine Art besseres Spielzeug? Shibata fand dies nicht. Altenpflegeheime seien gewillt, den Preis
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