Verloren unter 100 Freunden
funktioniert, und Scassellati erinnert Leon sanft daran, dass Cogs »Interessen« von Menschen festgelegt werden, die sein Programm einstellen. Leon sieht den Monitor, auf dem sich diese festgelegten Werte ablesen lassen, aber der Junge beharrt darauf, dass »Cog mich bestimmt langweilig findet«. Er platzt fast vor Eifersucht, als er sieht, wie Cog eine große blonde Wissenschaftlerin anschaut, und lässt sich auch dann nicht besänftigen, als Scassellati auf das rote T-Shirt der Frau deutet, das wahre Lockmittel, das Cogs Aufmerksamkeit weckt. Leon kann sich nicht konzentrieren. Er beharrt darauf, dass Cog die blonde Frau mag und ihn nicht. Seine Ängste erwecken den Roboter zum Leben.
Nun führt Leon ein Experiment durch, um herauszufinden, ob Cog ihn vielleicht doch mag. Leon hebt einen Arm, lässt ihn herabsinken und wartet, dass Cog es ihm nachtut. Cog hebt den Arm und dann, während der Roboterarm herabsinkt, hält Leon seinen Kopf direkt in die Schwenkrichtung. Dies ist ein Liebestest: Falls Cog
innehält, bevor er Leon trifft, wird der Junge eingestehen, dass Cog ihn mag. Falls der herabsinkende Arm Leon trifft, mag Cog ihn nicht. Leon bringt sich blitzschnell in Stellung. Wir versuchen ihn davon abzuhalten, sorgen uns, dass er sich wehtun könnte. Cogs Arm bleibt stehen, prallt nicht gegen Leons Kopf. Das Team atmet erleichtert auf. Leon jubiliert. Nun weiß er, dass er Cog nicht gleichgültig ist. Voller Freude ruft er aus: »Cog!«, und der Roboter wendet sich ihm zu. »Er hat mich gehört! Er hat mich verstanden!«
Nachdem Leon eine Stunde mit Cog verbracht hat, beschäftigt den Jungen die Frage, ob dies genug Zeit war, um bei Cog einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Seine Gedanken kehren zu der großen blonden Wissenschaftlerin zurück, die »mit Cog die ganze Zeit zusammen sein darf«. Leon ist sich sicher, dass Cog in sie verliebt ist. Mürrisch sagt er zu ihr: »Er starrt Sie ständig an. Er ist in Sie verliebt.« Dann versteift Leon sich auf eine neue Idee: »Cog ist ein Junge, und deshalb mag er eben lieber Mädchen als Jungen.« Dies ist endlich ein vernünftiger Grund, warum er hier keine Chance hat; damit kann Leon leben. Er fragt sich, ob er mehr Erfolg bei Kismet haben würde, den Kinder wegen seiner großen Augen, der langen Wimpern und der roten Lippen meist als weiblich betrachten.
Die meisten Kinder finden eine Möglichkeit, sich auch mit einem fehlerhaften Roboter zu beschäftigen; sie stellen sich vor, seine Eltern, seine Lehrer oder ein Heiler zu sein. Aber sowohl Estelle als auch Leon waren niedergeschlagen, als sie nicht »erkannt« wurden. Andere frustrierte Kinder werden wütend. Edward, sechs, ist klein für sein Alter. Seinen Mangel an Größe gleicht er mit unbändiger Energie aus. Von Beginn an verkündet er, »bei allem, was mit den Robotern zu tun hat, der Beste sein« zu wollen. Sein Vater erzählt uns, dass Edward zu Hause und in der Schule immer der »Chef« sein möchte. Er spiele ruppig und gerate oft in Raufereien. Ohne lange Vorrede tritt Edward an Kismet heran und fragt: »Kannst
du sprechen?« Als Kismet nicht antwortet, wiederholt Edward die Frage mit lauterer Stimme. Kismet starrt ins Leere. Erneut fragt Edward: »Kannst du sprechen?« Nun stößt Kismet das lustige Gebrabbel aus, das andere Kinder begeistert oder sie zu einfallsreichen Spielen inspiriert. Edward reagiert anders. Er versucht Kismet zu verstehen. »Was?!«, »Sag das nochmal!«, »Was meinst du?«, »Hä?«, »Was sagst du da?« Nach einigen Minuten befindet Edward, dass Kismets Äußerungen keinen Sinn ergeben. Er befiehlt dem Roboter: »Sei still!« Und dann nimmt Edward verschiedene Gegenstände aus dem Regal und stopft sie Kismet in den Mund – zuerst eine Büroklammer, dann einen Bleistift, schließlich eine Stoffraupe. Edward brüllt: »Friss auf! Friss auf!« Völlig eingenommen von seiner eigenen Feindseligkeit beschäftigt er sich weiter mit dem Roboter.
Shawn, der sechs Jahre älter als Edward ist, zeigt eine ähnliche Reaktion. Er besucht das Labor mit seinen beiden jüngeren Brüdern, die er ununterbrochen beleidigt, während alle drei warten, zu den Robotern gelassen zu werden. Als Shawn Kismet trifft, wird er ruhiger, und sein Ton ist freundlich: »Wie heißt du?« Aber als Kismet schweigt, wird Shawn wütend. Er hält die Kameras zu, die Kismet als Augen dienen, und befiehlt: »Sag was!« Kismet bleibt weiter still. Shawn setzt sich wortlos hin und starrt Kismet an, als
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