Verloren unter 100 Freunden
meiner Blickrichtung
steht, eine Person?‹« Und doch sagt Edsinger, dass er Domo fast als lebendig empfinde – es sei fast unbehaglich. Dieser Effekt rühre daher, dass er mit Domo über lange Perioden – sagen wir, eine halbe Stunde – am Stück zusammen sei und der Roboter währenddessen vollständig eingeschaltet wäre und frei agiere, wohingegen Domo bei früheren Projekten deutlich eingeschränkt war, weil nur einzelne Programmelemente in Dreißig-Sekunden-Intervallen liefen. »Ich kann mit Domo eine halbe Stunde arbeiten und tue niemals zweimal exakt dasselbe«, sagt er. 4 Dies über einen Menschen zu sagen wäre kein allzu großes Kompliment. Aber nach Robotik-Maßstäben ist eine scheinbar unprogrammierte halbe Stunde Anlass zur Begeisterung.
Für eine halbe Stunde, so Edsinger, »verwandelt Domo sich von diesem Ding, das man an- und ausschaltet, um irgendetwas zu testen, in etwas, das die ganze Zeit voll da ist … Man kommt von diesem Maschinen-Ding weg und betrachtet den Roboter eher als eine fließende Form des Seins, nicht unbedingt als richtiges Geschöpf, aber … (er zögert lange). Doch man beginnt, von ihm als Geschöpf zu denken, aber das ist genau der Teil, der die Arbeit spannend macht. Mir gefällt das. Das ist mit ein Grund, warum ich Roboter baue.«
Begeistert von den Momenten, in denen die Maschine sich in ein »Geschöpf« verwandelt, betrachtet Edsinger Domos Vorlieben zuweilen nicht mehr als einprogrammiert, sondern als die persönlichen Vorlieben und Abneigungen des Roboters. 5 Er sagt:
»Manchmal wird es ein bisschen kompliziert … Natürlich weiß ich, dass der Roboter nicht aus eigenem Antrieb handelt, denn ich habe ihm sein Verhalten ja einprogrammiert. Ab und zu aber sind seine Handlungen derart komplex, dass ich … nun, dann sieht es so aus, als täte er es ebendoch aus eigenem Antrieb … und das erwischt einen
dann völlig unvorbereitet. Und genau das macht die Sache so spannend … und es geschieht immer öfter, nachdem ich ihm nun viel mehr Sachen raufgespielt habe …
Falls Domo nichts zu tun hat, schaut er sich nach einer Person um. Und wenn er keine findet, sieht er dorthin, wo er zuletzt eine Person gesehen hat. Manchmal beobachte ich ihn, wie er etwas tut, und dann ist er fertig und schaut zu mir auf, als würde er sagen: ›Ich bin fertig. Lobe mich.‹«
In Momenten wie diesen liegt kein Selbstbetrug vor. Edsinger weiß, wie Domo »funktioniert«. Er erlebt eine Verbundenheit, die sein technisches Know-how nicht unterbinden kann. Das ist die von den Kindern, denen Cogs Funktionsweise erklärt wurde und die dennoch unbedingt seine Zuwendung wollten, prophezeite Nähe.
Edsinger fühlt sich Domo als Geschöpf und als Maschine nahe. Er glaubt, dass die meisten Menschen, die mit fortschrittlichen Robotern zu tun haben, derartige Empfindungen verspüren. Astronauten und Roboter fliegen gemeinsam ins All. Soldaten und Roboter ziehen gemeinsam in die Schlacht. Ingenieure und Roboter lassen zusammen Atomkraftwerke laufen. Um sich für eine Partnerschaft mit einem Roboter zu entscheiden, müssen Menschen sich mit ihnen mehr als nur behaglich fühlen. Sie müssen ihre Gesellschaft wollen. Für Edsinger wird dies die natürliche Folge des angenehmen physischen Kontakts mit Roboterpartnern sein. Er sagt, es sei in höchstem Maße spannend zu erleben, »wie etwas ein Stück weit aus eigenem Willen zu agieren scheint. Da ist ein Objekt, es nimmt meine Anwesenheit wahr, es erkennt mich, es möchte mit mir interagieren.«
Edsinger greift nicht auf das Argument zurück, dass wir Roboterhelfer bräuchten, weil es bald nicht mehr genügend Personal für die Altenpflege gebe. Für ihn ist die Entwicklung sozialer Roboter
ein eigenständiges Abenteuer. Die Roboter der Zukunft werden hübsch sein, werden uns in den Arm nehmen und uns jederzeit zur Hand gehen wollen. Sie werden Seite an Seite mit Menschen arbeiten, werden sich ihrer Gegenwart und Wünsche bewusst sein. Edsinger gibt zu, dass es »zum Selbstbetrug kommen kann, falls die Leute einem Roboter größere Fähigkeiten oder mehr Einfühlungsvermögen zuschreiben, als er tatsächlich besitzt«. Aber ein moralisches Problem erkennt er nicht. Erstens seien Informationen über die Einschränkungen des Roboters frei verfügbar, so dass jeder sie sich verschaffen könne. Zweitens hätten wir es bereits für akzeptabel befunden, uns von Geschöpfen beruhigen zu lassen, denen vermutlich nichts an uns liegt. »Wir lassen
Weitere Kostenlose Bücher