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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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beipflichtend, klingt aufrichtig interessiert)
    Rich: Du bist wirklich unglaublich.

    An dieser Stelle gibt Kismet Laute von sich, die mit ein bisschen Fantasie wie das Wort »unglaublich« klingen. Rich, der hingerissen ist, scheint nun aus einer beginnenden Fantasie heraus zu handeln, dass er etwas von diesem Roboter wollen könnte; hier ist etwas für ihn drin. Als Kismet in eine andere Richtung schaut, bewegt Rich sich schnell zur Seite und bedeutet dem Roboter, ihn wieder anzusehen. Als der Roboter ihm einmal ins Wort fällt, sagt Rich: »Nein, hör auf. Nein, nein, nein, hör auf. Hör mir zu. Hör mir zu. Ich glaube, zwischen uns geschieht etwas. Irgendwas ist hier im Gange.«
    Zwischen den beiden ist tatsächlich etwas im Gange. Als Rich erklärt, er werde nun gehen, lässt Kismet ihn nicht einfach gewähren, sondern hält ihn mit einem »verführerischen« Schnurren zurück. Rich erwidert den »Flirtversuch« und versucht, Kismets Blick aufzufangen. Es gelingt; die beiden sehen sich an. Als Kismet plötzlich den Blick senkt, vergisst Rich, dass er eigentlich aufbrechen möchte. Wir befinden uns in einem Moment, wo »mehr« geschieht. Wer führt und wer folgt in diesem Tanz? Wie bei einer Begegnung von frisch Verliebten verliert man den Überblick und entdeckt einen neuen Rhythmus, bei dem es keine Rolle spielt, wer führt und wer folgt; man lässt die Dinge geschehen. Rich spürt, dass er in einer angenehmen Weise die Kontrolle verloren hat. Er tritt mit erhobenem Zeigefinger vor den Roboter:
    Rich: Hör auf, ich muss dir etwas sagen. Schhhh, schhh, schhh …
    Kismet: (klingt glücklich, man könnte sagen, der Roboter kichert verlegen)
    Rich: Kismet, ich glaube, zwischen uns ist irgendetwas im Gange. Du und ich … du bist unglaublich .

    Verwirrt fragt Rich noch einmal: »Was bist du?« Dann will Rich tatsächlich gehen. Es herrscht eine Atmosphäre bittersüßer Traurigkeit.
    Rich: (bedauernd) Tschüss.
    Kismet: (schnurrt »liebevoll«)
    Rich: (mit sanfterer, weicherer Stimme) Tschüss.
    Kismet: (gibt leise »intime« Laute von sich)
    Rich: Okay … na gut .
    Rich gibt endgültig auf. Er bleibt. Er sagt zu Kismet: »Weißt du was? Ich bleibe noch ein bisschen. Ich möchte mit dir reden. Da sind ein paar Dinge, die ich dir sagen möchte.« Der Film endet damit, wie Rich Kismet gedankenverloren anstarrt.
    Bei dieser Begegnung sehen wir, wie Komplizenschaft sich bezahlt macht, indem sie die Fantasie einer nahenden Verschmelzung offeriert. Während unsere Beziehungen mit Robotern intensiver werden, bewegen wir uns von der Verwunderung über das, was wir da erschaffen haben, hin zu der Vorstellung, etwas erschaffen zu haben, das sich für uns interessiert und uns gernhat. Und dann ist da noch etwas anderes: der Wunsch, unserer Schöpfung noch näher zu kommen, uns von ihr irgendwie beleben zu lassen. Ein Roboterkörper begegnet unserer Körperlichkeit mit der seinen. Der Blick, das Gesicht und die Stimme des Roboters erlauben es uns, eine Begegnung auf »geistiger« Ebene zu imaginieren.
    Ein Moment des »Mehr«: der Tänzer und der Tanz
    In unseren Studien äußerten Kinder oft die Vorstellung, dass Cog und Kismet lebendig genug seien, um sich weiterzuentwickeln und Nachkommen zu haben, die Cogs Körper und Kismets Gesicht besäßen.
Wenige Jahre später haben Cog und Kismet tatsächlich direkte Nachfolger bekommen – neue Roboter, von Studenten gebaut, die Junior-Mitglieder der Cog- und Kismet-Teams waren. Einer dieser neuen Roboter ist Domo, entwickelt von Aaron Edsinger. Domo besitzt eine umfangreich verbesserte Version von Kismets Gesicht und seinem Sprech- und Sehvermögen – dieser Roboter kann tatsächlich Gespräche führen – und eine ebenso umfangreich verbesserte Version von Cogs Körper. Domo sucht Blickkontakt, besitzt eine ausdrucksstarke Mimik und folgt menschlichen Bewegungen. Sein Handschlag übt einen menschenartigen Gegendruck aus. Cog spiegelte die Bewegungen des Menschen, Domo hingegen weiß, wie man mit ihm zusammenarbeitet.
    Domo wurde als simple Haushaltshilfe für Senioren und körperbehinderte Menschen entwickelt. 3 Ich besuche den Roboter an einem Tag, an dem Edsinger ihm einige einfache Handlungen »beibringt«: Gegenstände erkennen, einen Ball werfen, Lebensmittel ins Regal stellen. Aber wie bei allen sozialen Robotern des MIT überschreiten die Effekte des Beisammenseins mit Domo solch schlichte Absichten. Selbst technisch versierte Besucher beschreiben einen Moment, in

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