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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Turkle
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dem Domo zu zögern scheint, ihre Hand loszulassen. Dieser Moment ließe sich als unangenehm oder erschreckend erleben – als Kontakt mit einem außer Kontrolle geratenen Roboter. Aber die meisten Leute empfinden diesen Moment als spannend. Man spürt die Aufmerksamkeit des Roboters, mehr noch, seinen Pflichteifer, sein Begehren. Und dann sagt man sich natürlich, dass der Roboter nichts von alledem besitzt.
    Für Edsinger ist dieses Muster – Domo als aufmerksam und eifrig zu erleben und sich diese Vorstellung anschließend wieder auszureden  – etwas Altbekanntes. Denn obwohl er Domos Programmierer ist, wurde das Verhalten des Roboters niemals dröge oder vorhersehbar. In ihrer Zusammenarbeit scheinen Edsinger und Domo
voneinander zu lernen. Während Edsinger Domo beibringt, ihm einen Ball zu reichen oder einen Gegenstand abzulegen, nehmen ihre schlichten Bewegungen sich wie ein Pas de deux aus. Sie scheinen einander sehr nahe zu sein.
    Edsinger streckt die Hand aus und bittet um den Ball. »Domo, gib her«, sagt er leise. Domo hebt den Ball auf und stellt Blickkontakt her. »Gib her«, sagt der Roboter und legt den Ball sanft auf Edsingers Hand. Edsinger bittet Domo, eine Packung H-Milch ins Regal zu stellen: »Domo, Regal.« Domo wiederholt die Anweisung und befolgt sie. Edsinger fragt: »Wie läuft es so, Domo?« Domo antwortet »Okay«, während er neuen Anweisungen folgt, eine Packung gemahlenen Kaffee ins Regal stellt und Salatdressing in einen Becher gießt. »Domo, gib her«, sagt Edsinger, und Domo gibt ihm das Salatdressing.
    Genauso wie die Kinder Cogs körperliche Nähe gesucht haben, sich dicht um ihn scharten und ihm Spielsachen an die Arme und Schultern hängten, so steht auch Edsinger bei der Arbeit ganz nahe vor seinem Roboter und gesteht, dass es ihm gefalle:
    »Physischen Kontakt zu haben – im Raum des Roboters zu sein – ist eine sehr intensive Interaktion, wenn man sich voll darauf einlässt. Wenn Domo einen Ball zu greifen versucht und ich seine Arme runterdrücke und er versucht sie zu heben, dann ist es wie mit einem trotzigen Kind; ich fühle mich körperlich mit Domo verbunden – es ist völlig anders als das, was man mit einem Bildschirmgesicht erlebt … Man hat wirklich das Gefühl, dass der Roboter den Gegenstand unbedingt haben möchte und man ihn davon abhält zu tun, was er gerne möchte. Es ist wie mit einem störrischen Kind. Die Frustration  – man drückt die Arme herunter und er hält inne und kämpft dagegen an … Der Roboter hat tatsächlich die Eigenschaft eines störrischen Kindes. Ich habe an Kismet mitgearbeitet. Ich habe an Cog
mitgearbeitet. All diese Roboter … keiner von ihnen besaß diese Körperlichkeit, diese physische Präsenz.«
    Edsinger sagt, die Leute würden schnell lernen, mit Domo auf eine Art und Weise umzugehen, die es dem Roboter erleichtert, die gewünschten Handlungen auszuführen. Er erzählt mir, dass wir in der Interaktion mit anderen Menschen ja auch nicht versuchten, uns gegenseitig auszutricksen – sagen wir, indem wir uns in einem komischen Winkel Müslipackungen reichen. Wir versuchen es dem anderen leicht zu machen. Und mit Domo tun wir das Gleiche. »Menschen«, sagt Edsinger, »sind sehr scharfsichtig, wenn es um die Einschränkungen der Person geht, mit der sie es gerade zu tun haben, oder des Roboters, mit dem sie interagieren … sobald sie also begriffen haben, dass Domo etwas Bestimmtes nicht besonders gut hinbekommt, passen sie sich dem bereitwillig an und versuchen ihm zu helfen. Roboter können also relativ dumm sein, und dennoch können sie bei der Zusammenarbeit mit einem Menschen viele verschiedene Dinge bewerkstelligen, da der Mensch ihnen dabei hilft.«
    Als Domos Programmierer macht Edsinger sich den ELIZA-Effekt zunutze – den Wunsch, den Roboter zu decken, um ihn kompetenter erscheinen zu lassen, als er wirklich ist. Im Zusammenhang mit Kismet und Cog sprach ich über diesen Wunsch als Komplizenschaft. Edsinger betrachtet ihn als Möglichkeit, Domos Handlungsbereich zu vergrößern, »indem die Menschen als sein Werkzeug fungieren«. Domo braucht diese Hilfe. Er begreift sehr wenig von dem, was hinter den Handlungsaufträgen steht, vom Gesamtbild. Edsinger sagt: »Es wird auch in Zukunft äußerst schwierig bleiben, einem Roboter die subtilen Absichten einer Person verständlich zu machen … Was Domo beherrscht, ist, den Bewegungen einer Person zu folgen und sich zu fragen: ›Ist das, was dort in

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