Verloren
okay?«, flehe ich und finde es schrecklich, dass sie wahrscheinlich viel zu wenig Zeit hat, gerade jetzt, wo ich so dringend ihren Rat brauche. Immerhin kennt sie Matteo aus der Zeit, als sie selbst hier in Rom studiert hat, und sie ist auch sonst die Einzige weit und breit, der ich erzählen kann, was mir auf der Seele brennt.
»So schnell kommt Grace nicht zurück«, beruhigt sie mich. »Sie gibt uns bestimmt erst mal Gelegenheit, ein bisschen zu reden – jetzt, wo sie weiß, dass du dich um ihr Problem kümmerst.«
Das war nämlich der hauptsächliche Grund für Sarahs Vorschlag zu skypen: weil ihre Schwägerin gerne persönlich mit mir sprechen und mich um etwas bitten wollte. Eigentlich ist es sogar mehr als eine Bitte, es ist ein offizieller Auftrag, denn sie sucht ein Geburtstagsgeschenk für ihren Mann, Sarahs Bruder Jonathan. Und da der moderne Kunst liebt, möchte sie, dass ich ihr dabei helfe, etwas Passendes zu finden. Was ich natürlich gerne tun werde. Ich mag Grace, sie ist sehr nett, auch wenn wir uns bis jetzt nur einige wenige Male getroffen haben. Und wenn sie mir meine Freundin jetzt wirklich erst mal allein überlässt, dann mag ich sie sofort noch viel lieber, denke ich seufzend.
Sarah grinst, als sie mein Seufzen hört, und streicht sich ihre dunklen Haare hinter das Ohr – eine Geste, die sie oft macht, seit sie sie wieder schulterlang trägt. Ihre tiefblauen Augen funkeln amüsiert.
»Es ist nämlich nicht so, dass man dir nicht ansieht, dass du Redebedarf hast«, sagt sie. »Wobei Grace ganz sicher Verständnis für deine Situation hätte. Sie kennt sich sehr gut aus mit schwierigen Männern, schließlich ist sie mit meinem Bruder verheiratet.«
Ich muss lächeln, denn ich kenne die Geschichte der beiden aus Sarahs Erzählungen. Aber das kann man schwerlich mit meiner Situation vergleichen.
»Das ist doch etwas ganz anderes«, protestiere ich. »Bei Grace und deinem Bruder war es die große Liebe, aber das zwischen Matteo und mir, das ist …«
Nur eine Affäre , wollte ich eigentlich sagen, aber ich kriege es nicht über die Lippen. Weil ich ja nicht mal weiß, ob man es überhaupt schon so nennen kann. Dafür müsste ich schließlich mehr als eine Nacht mit ihm verbringen. Und das sollte ich besser lassen.
»… nicht so einfach«, beende ich deshalb meinen Satz und zucke mit den Schultern.
»So einfach, wie es in der Zusammenfassung klingt, war es bei den beiden auch nicht, glaub mir.« Sarah lacht. »Aber jetzt will ich erst mal wissen, was da bei dir los ist. Und lass ja keine Details aus, hörst du?«
Schnell berichte ich ihr, was sie noch nicht weiß – von meinem ersten Zusammentreffen mit Matteo auf Giacomos Empfang und der Tatsache, dass er für uns diese Expertise machen soll, hatte ich ihr schon erzählt – ohne zu ahnen, was noch alles passieren würde. Und natürlich verschweige ich doch die pikanten Details. Dafür haben wir schließlich keine Zeit. Außerdem ist mir diese neue, hemmungslose Sophie, die Matteo in mir zum Vorschein gebracht hat, selbst noch so fremd, dass ich nicht darüber sprechen kann – nicht mal mit Sarah, meiner engsten Vertrauten.
Meine älteste Freundin ist sie zwar nicht, denn wir kennen uns erst seit knapp zwei Jahren, aber seitdem ist sie mir sehr wichtig geworden. Damals, als wir uns trafen, stand sie kurz vor ihrer Hochzeit mit ihrem Mann Alexander und suchte bei uns – ähnlich wie Grace jetzt – ein passendes Geschenk für ihn. Wir waren uns sofort sympathisch, aber eine Freundschaft konnte nur daraus werden, weil sie als eine der Wenigen Verständnis für meine Situation hat. Ihr musste ich nie erklären, warum ich oft keine Zeit habe, und sie nimmt es mir auch nicht übel, wenn ich kurzfristig eine Verabredung absagen muss, weil mir beruflich etwas dazwischenkommt oder etwas mit Mum ist. Andere geben dann irgendwann entnervt auf, deshalb sind viele meiner früheren Freundschaften eingeschlafen oder nie über ein gewisses Stadium hinausgekommen. Aber Sarah hat diese liebenswert-hartnäckige Art, wenn es um unsere Treffen geht, sie ruft immer wieder an und wartet geduldig, bis es klappt mit einem Termin, und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Ohne sie wäre ich, gerade in der letzten, so anstrengenden Zeit, sehr einsam gewesen, und eigentlich habe ich außer ihr niemanden, dem ich meine Probleme anvertrauen kann – jedenfalls nicht, wenn sie so geartet sind wie das mit Matteo. Das kann ich nur mit ihr besprechen, und ich hoffe
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