Verloren
entsetzt. »Warum hast du mir denn nie gesagt, dass du ihn nicht magst?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Weil du nichts auf ihn kommen lässt. Ich kann das ja auch verstehen, er hat euch geholfen, als es euch nicht gut ging, was zweifellos ein Glücksfall war. Es stimmt auch nicht, dass ich ihn nicht mag. Er ist ganz nett – aber als Mann viel zu lahm für dich, Sophie. Ihr kennt euch jetzt seit einem Jahr, wenn man von eurer Sandkastenfreundschaft absieht – und er hat in dieser ganzen Zeit nicht geschafft, wofür Matteo Bertani nur ein paar Tage braucht?« Sie grinst vielsagend, dann seufzt sie verträumt. »Ich kann dich übrigens verstehen. Ist ein verdammter Traummann, den du dir da geangelt hast. Bei ihm würde ich auch schwach werden, wenn ich nicht glücklich verheiratet wäre.«
»Ich habe ihn mir nicht ›geangelt‹, es ist einfach … passiert«, protestiere ich.
»So etwas passiert aber nicht ›einfach‹ – jedenfalls nicht dir«, beharrt Sarah. »Und im Übrigen musst du doch auf jeden Fall noch mal zu ihm. Schließlich soll er für euch diese Expertise machen, oder nicht?«
Ich seufze tief. »Das hat sich erledigt. Dad hat sich vorhin gemeldet – der Enzo ist schon verkauft.«
Die Nachricht hat mich selbst sehr überrascht, denn es ist bisher noch nie vorgekommen, dass wir ein Bild aus einer geplanten Auktion wieder herausgenommen haben – das ist normalerweise weder im Interesse unserer Auftraggeber noch in unserem. Aber anscheinend war Lord Ashbury, einer unserer treuesten Stammkunden, so begeistert von dem Gemälde, dass er spontan eine sehr stolze Summe dafür geboten hat – plus eine entsprechende Provision für uns – wenn er vorab den Zuschlag erhält. Dad hat die Anfrage nur weitergegeben, weil Lord Ashbury unserem Haus schon so viele Jahre verbunden ist, und war eigentlich sicher, dass die Lindenburghs nicht darauf eingehen würden. Aber sie haben dem Deal tatsächlich sofort zugestimmt, und nun ist das Bild vom Markt und wir benötigen – sehr zum Bedauern meines Vaters, dem das der Vollständigkeit halber trotzdem lieber gewesen wäre – keine Expertise mehr von Matteo. Er muss also nicht nach London, und ich habe keinen Grund mehr, noch mal zu ihm zu gehen. Ich kann ihn einfach streichen aus meinem Leben – auch wenn Dad wahrscheinlich nicht verstehen wird, warum ich diesen wertvollen Kontakt nicht weiter nutzen will. Aber unter diesen Umständen geht das nicht, ich muss einen Schnitt machen, und das kann ich jetzt. Was gut ist. Jedenfalls versuche ich mir das schon die ganze Zeit einzureden und das Ziehen in meiner Brust zu ignorieren, das einfach nicht verschwinden will.
Sarah findet es auf jeden Fall alles andere als gut, das sehe ich ihr an. Doch als sie gerade etwas sagen will, hält sie plötzlich inne und blickt sich um, lauscht einen Moment.
»Ich glaube, da kommen Grace und Jonathan.« Sie beugt sich vor und sieht mich durchdringend an. »Du musst trotzdem zu ihm gehen, hörst du? Und klären, was da zwischen euch ist.«
Vehement schüttele ich den Kopf, weil sie das einfach nicht verstehen will. »Da ist nichts, Sarah. Es war Sex, mehr nicht. Es hatte keine Bedeutung.« Ich zucke mit den Schultern.
»Unsinn«, widerspricht sie mir. »Natürlich hat es eine Bedeutung, wenn meine vernünftige Freundin plötzlich bereit ist, eine total unvernünftige Nacht mit einem von Roms, ach, was sag ich, Italiens begehrtesten Junggesellen zu verbringen. Der übrigens trotz seines Rufs als ziemlich wählerisch gilt – bei dir aber offenbar sehr schnell schwach geworden ist. Und wenn da nichts wäre, dann wärst du doch jetzt nicht so fertig, oder?« Mit einem wissenden Ausdruck in den Augen betrachtet sie mich, weckt meinen Widerspruch.
»Aber Matteo …«
»… geht seit dem Tod seiner Frau keine Beziehungen ein, ich weiß. Nichts Ernstes jedenfalls – ich kenne die Gerüchte. Aber wer sagt, dass er für dich nicht eine Ausnahme macht? Schließlich hieß es auch immer, dass er Rom nur sehr ungern verlässt. Angeblich tut er das fast nie – aber für dich wäre er dazu bereit gewesen. Das muss etwas zu bedeuten haben, glaub mir.«
Doch ich will das nicht glauben. »Du verstehst das nicht, Sarah. Daraus könnte doch niemals etwas werden. Ich würde schon wegen Mum London niemals auf Dauer den Rücken kehren, und Matteo lebt hier. Außerdem passen wir überhaupt nicht zusammen, wir sind … hey … was machst du denn da?« Das Bild wackelt plötzlich, weil sie nach ihrem
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