Verlorene Illusionen (German Edition)
Trödlerladen aussah; an den Fenstern Gardinen, die vom Rauch eines Kamins, der keinen Zug hatte, und vom Zigarrenrauch geschwärzt waren; auf dem Kamin eine Carcellampe, die Florine ihm geschenkt hatte und die dem Leihhaus noch nicht verfallen war; ferner eine wurmstichige Mahagonikommode, ein Tisch, auf dem Papiere und zwei oder drei struppige Federkiele herumlagen, von Büchern weiter nichts, als was gestern oder heute eingegangen war: so sah das Mobiliar dieser Zimmer aus, in dem es keinerlei Wertgegenstände gab, wohl aber eine häßliche Sammlung von schlechtem Schuhzeug und von alten ausgefransten Socken, die in einer Ecke herumlagen; in einer andern Ecke Zigarrenstummel, schmutzige Taschentücher, zwei Hemden und drei Schlipse. Kurz, es war ein Literatenbiwak, das mit Dingen möbliert war, die nicht da waren, und die absonderlichste Kahlheit aufwies, die man sich denken kann. Auf dem Kaminsims lagen ein Rasiermesser, ein paar Pistolen und eine Zigarrenkiste umher. An der Wand sah Lucien zwei gekreuzte Degen unter einer Fechtmaske. Drei Stühle und zwei Fauteuils, die für das schlechteste Hotel garni dieser Straße kaum noch gut gewesen wären, vervollständigten die Einrichtung. Dieses Zimmer, das zugleich schmutzig und öde war, sprach von einem Leben ohne Ruhe und ohne Würde: es wurde darin geschlafen, hastig gearbeitet, man sah ihm an, daß man ungern darin wohnte und es schnell wieder verließ. Welcher Unterschied zwischen dieser zynischen Unordnung und dem saubern, gesitteten Elend bei d'Arthez!... Lucien vernahm nicht die heimliche Stimme dieses Gedankens, denn Etienne rief ihm einen Scherz zu, um die Nacktheit des Lasters zu verkleiden.
»Da sehen Sie mein Hundeloch; meine großen Empfangsräume befinden sich in der Rue de Bondy, in der neuen Wohnung, die unser Drogist Florine eingerichtet hat. Wir werden sie heute abend einweihen.«
Etienne Lousteau trug eine schwarze Hose, blank gewichste Stiefel, einen Rock, der bis zum Hals zugeknöpft war; sein Hemd, das er wohl bei Florine wechseln sollte, war unter einem Samtkragen verborgen, und er bürstete seinen Hut, um ihm das Aussehen eines neuen zu geben.
»Gehen wir!« sagte Lucien.
»Noch nicht; ich muß Geld haben und warte noch auf einen Buchhändler; vielleicht gibts heute abend ein Spiel, und ich habe keinen Heller; und außerdem brauche ich Handschuhe.«
In diesem Augenblick hörten die beiden neuen Freunde Männerschritte auf dem Flur.
»Das ist er«, sagte Lousteau. »Mein Lieber, Sie werden jetzt sehen, wie die Vorsehung aussieht, wenn sie sich den Dichtern zeigt. Bevor Sie Dauriat, den berühmten Buchhändler, in seinem Glanze sehen, sollen Sie den Buchhändler vom Quai des Augustins zu Gesicht bekommen, den Buchhändler, der dem Journalisten als Bankier dient, den literarischen Alteisentrödler, den pfiffigen Grünkramhändler. – Nur herein, alter Tartar!« rief Lousteau.
»Da bin ich«, hörte man eine Stimme, die so rissig klang wie von einer zersprungenen Glocke.
»Mit Geld?«
»Geld? Geld gibt es keins mehr im Buchhandel«, antwortete ein junger Mann, der hereintrat und dabei Lucien neugierig ansah.
»Zunächst sind Sie mir fünfzig Franken schuldig,« sagte Lousteau; »dann sind da zwei Exemplare einer ›Reise nach Ägypten‹, die man sehr rühmt; es sind eine Menge Stiche darin, sie werden sich leicht verkaufen: Finot ist damit für zwei Artikel bezahlt worden, die ich schreiben muß. Ferner zwei von den letzten Romanen von Victor Ducange, einem Schriftsteller, der in der Vorstadt Marais berühmt ist. Des weiteren zwei Exemplare vom zweiten Buch eines Anfängers, Paul de Kock, der im selben Genre arbeitet. Weiter zwei ›Isolde von Dôle‹, ein hübsches Buch für die Provinz. Im ganzen, billig gerechnet, hundert Franken. Sie sind mir also hundert Franken schuldig, kleiner Barbet.«
Barbet sah die Bücher an und prüfte sorgfältig den Schnitt und die Umschläge.
»Oh! sie sind vorzüglich erhalten,« rief Lousteau, »die ›Reise‹ ist nicht aufgeschnitten, und der Paul de Kock und der Ducange auch nicht, und ebensowenig das da auf dem Kamin, ›Betrachtungen über die Symbolik, das ich noch mit dazugebe; der Mythus ist so langweilig, daß ich es verschenke, damit nicht Tausende von Milben darin wachsen.«
»Ja,« sagte Lucien, »wie wollen Sie denn Ihre Artikel schreiben?«
Barbet warf auf Lucien einen überaus erstaunten Blick und sah dann Etienne grinsend an.
»Man sieht, der Herr hat nicht das Unglück, von
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