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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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kommt mir das Buch beachtenswert vor, und ich lasse den Verleger noch um ein Exemplar ersuchen, der freut sich, daß er einen günstigen Artikel haben soll, und schickt es gerne.«
    »Mein Gott! aber die Kritik, die heilige Kritik!« rief Lucien, der noch voll von den Anschauungen seines Zirkels war.
    »Mein Lieber,« sagte Lousteau, »die Kritik ist eine Bürste, die man bei leichten Stoffen nicht verwenden darf, weil sie da alles wegnähme. Hören Sie, reden wir von etwas anderem. Sehen Sie die Tinte hier?« fragte er und zeigte ihm das Manuskript der ›Margueriten‹. »Ich habe mit ein wenig Tinte Ihren Bindfaden mit dem Papier verbunden. Wenn Dauriat Ihr Manuskript liest, wird es ihm sicher unmöglich sein, die Schnur wieder genau so anzubringen. Ihr Manuskript ist also so gut wie versiegelt. Das ist nicht unnütz für die Erfahrung, die Sie machen wollen. Und dabei vergessen Sie nicht, daß Sie nicht allein und ohne Gönner zu diesem Verleger kommen, wie die kleinen jungen Leute, die zu zehn Verlegern gehen, ehe sie einen finden, der ihnen einen Stuhl anbietet...«
    Lucien hatte die Wahrheit dieser Bemerkung schon kennen gelernt. Lousteau bezahlte den Kutscher, indem er ihm drei Franken gab. Zur großen Verblüffung Luciens, der über die Verschwendung, die solcher Not gefolgt, erstaunt war. Alsdann traten die beiden Freunde in die Galeries de Bois, in denen sich damals die Verlagsbuchhandlung befand. Zu jener Zeit bildeten die Galeries de Bois eine der bemerkenswertesten Sehenswürdigkeiten von Paris. Es ist nicht ohne Wert, diesen gemeinen Basar zu schildern, denn er hat sechsunddreißig Jahre lang im pariser Leben eine so große Rolle gespielt, daß es wenig Menschen über vierzig Jahre gibt, denen diese Beschreibung, die unsern jungen Leuten unglaublich erscheinen muß, nicht Vergnügen machte. An der Stelle der kalten, hohen und breiten Galerie d'Orleans, die eine Art Gewächshaus ohne Blumen war, standen Baracken oder, um genauer zu sein, Bretterhütten; sie hatten eine schlechte Bedachung, waren klein; auf den Hof und den Garten hinaus blickten elende Fenster, wie man sie kläglicher kaum in den schmutzigsten Kneipen der pariser Außenbezirke findet. Drei Reihen Buden bildeten so zwei Galerien, die ungefähr zwölf Fuß hoch waren. Die in der Mitte gelegenen Buden gingen nach beiden Galerien, deren Atmosphäre ihnen eine verpestete Luft lieferte und deren Dach durch die immer schmutzigen Scheiben wenig Licht hindurchließ. Es strömten so viele Menschen in diese Galerien, daß die engen Zellen, von denen manche nur sechs Fuß breit und acht bis Zehn Fuß lang waren, bis zu tausend Taler Miete kosteten. Die Buden waren durch kleine grüne Laubengänge geschützt, vielleicht um die Menge zu verhindern, durch ihr Gedränge die elenden dünnen Wände einzudrücken, die die Magazine nach hinten abschlossen. Dort also befand sich ein Raum von zwei oder drei Fuß, auf dem die absonderlichsten Erzeugnisse einer der Wissenschaft unbekannten Botanik wuchsen, und dazwischen befanden sich die Erzeugnisse verschiedener, nicht weniger blühender Industrien. Makulatur lag dicht neben einem Rosenstock, so daß die Blüten der Rhetorik von den verkümmerten Blüten dieses schlecht gepflegten, wenn schon mit stinkenden Abfällen gedüngten Gartens umduftet waren. In den Zweigen blühten Bänder in allen Farben oder Buchhändlerprospekte. Die Abfälle der Mode erstickten das Pflanzenleben: man konnte einen Knäuel Bänder auf grünem Rasen finden, und es konnte einem geschehen, daß man eine Dahlie zu bewundern glaubte, bis man bei näherem Zugreifen merkte, daß es eine seidene Schleife war. An diesem abenteuerlichen Basar war auf beiden Seiten, nach dem Hof und nach dem Garten zu, alles Absonderliche zu finden, was der Pariser Schmutz hervorgebracht hat: der Maueranstrich war heruntergespült, der Verputz ausgeflickt, es gab absonderliche Schilder zu lesen. Nach dem Garten und dem Hofe zu beschmutzte das Pariser Publikum die kleinen grünen Laubengänge in der abscheulichsten Weise. Ein ekelhafter und widerwärtiger Streifen auf beiden Seiten schien also empfindlichen Leuten zu verbieten, sich den Galerien zu nähern, aber die leckeren Leute wichen ebensowenig vor diesen Schrecknissen zurück, wie die Prinzen in den Märchen vor den Drachen und den Hindernissen zurückweichen, die ein böser Geist zwischen sie und die Prinzessinnen stellt. Durch diese Galerien ging wie heutzutage eine Passage, zu der man wie

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