Verlorene Illusionen (German Edition)
der Literatur zu sein.«
»Nein, Barbet, nein. Der Herr ist ein Dichter, ein großer Dichter, der Canalis, Biranger und Delavigne in die Tasche stecken wird. Er wird es weit bringen, vorausgesetzt, daß er sich nicht ins Wasser stürzt, dann bringt er es auch noch bis Saint-Cloud.«
»Wenn ich dem Herrn einen Rat geben darf, möchte ich sagen, das Versemachen lieber aufzugeben und sich auf die Prosa zu verlegen. Die Antiquare machen sich nichts mehr aus Versen.«
Barbet trug einen schlechten Überrock, der mit einem einzigen Knopf zugeknöpft war, sein Hals war fett, er hielt den Hut in der Hand, er trug Schuhe; unter seiner halboffenen Weste sah man ein anständiges grobes Hemd aus starker Leinwand. Es fehlte seinem runden Gesicht, aus dem zwei habgierige Augen hervorstachen, nicht an Gutmütigkeit; aber er hatte die Unsicherheit und Unruhe in seinem Blick, die Menschen eignen, welche daran gewöhnt sind, daß man Geld von ihnen verlangt, und die welches haben. Er war zugleich rund und behende, schlank, mit einem kleinen Embonpoint. Nachdem er sich vor zwei Jahren selbständig gemacht, hatte er auf dem Kai ein elendes Lädchen gemietet, und von da aus besorgte er seine Gänge zu den Journalisten, den Autoren, den Buchdruckern, denen er zu niedrigem Preis die Bücher abkaufte, die sie geschenkt bekommen hatten, und verdiente so jeden Tag etliche zehn oder zwanzig Franken. Er hatte große Ersparnisse gemacht, schnupperte die Bedürfnisse eines jeden heraus, spürte immer gute Geschäfte auf und diskontierte den Schriftstellern, wenn sie in Verlegenheit waren, mit einem Diskont von fünfzehn oder zwanzig Prozent die Wechsel der Verleger, denen er dann am nächsten Tag gegen Barzahlung zu herabgesetzten Preisen etliche gute Bücher abkaufte, die begehrt waren; zur Zahlung gab er ihnen dann statt Geld ihre eigenen Wechsel. Er hatte seine Studien gemacht, und seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, Gedichtbüchern und modernen Romanen sorgfältig aus dem Wege zu gehen. Er liebte die kleinen Sammelwerke, die belehrenden Bücher, die im ganzen nicht mehr als tausend Franken kosteten und die er nach seinem Belieben ausbeuten konnte, wie z. B. ›Die französische Geschichte für das Verständnis der Kinder‹, ›Die Buchhaltung in zwanzig Lektionen‹, ›Die Botanik für junge Mädchen‹. Er hatte sich schon zwei oder drei gute Bücher entgehen lassen, nachdem er die Autoren zwanzigmal zu sich hatte kommen lassen, ohne sich entschließen zu können, ihnen ihr Manuskript abzukaufen. Wenn man ihm seine Feigheit vorwarf, zeigte er den Bericht eines berühmten Prozesses vor, dessen Text ihm nichts kostete, da er ihn aus den Zeitungen genommen hatte, und der ihm zwei- oder dreitausend Franken eingebracht hatte.
Barbet war der furchtsame Buchhändler, der fast keine Bedürfnisse hat, der wenig Wechsel unterschreibt, der in den Fakturen, die er bekommt, eifrig nach kleinen Vorteilen sucht und Abzüge macht, der seine Bücher selbst, man weiß nicht wohin, wegträgt, sie aber anbringt und sich bezahlen läßt. Er war der Schrecken der Buchdrucker, die nicht wußten, was sie mit ihm anfangen sollten: er zog bei der Bezahlung Rabatt ab und drückte die Preise, wenn er merkte, daß der Drucker das Geld brauchte; dann gab er denen, die er geschröpft hatte, keine Aufträge mehr, weil er fürchtete, sie könnten ihn begaunern.
»Nun, wie wirds mit unserm Geschäft?« fragte Lousteau.
»Ja, mein Guter,« sagte Barbet vertraulich, »ich habe in meinem Laden sechstausend Bände zu verkaufen. Wissen Sie, ein alter Buchhändler hat einmal gesagt: ›Was tu ich mit Büchern? sie bringen nichts zu Buch.‹ Der Buchhandel steht schlecht.«
»Wenn Sie in seinen Laden gingen, lieber Lucien,« sagte Etienne, »fänden Sie auf einem Schreibtisch aus Kastanienholz, den er aus der Konkursmasse irgendeines bankrotten Weinhändlers erstanden hat, eine Kerze, die nicht geputzt ist, weil sie dann weniger schnell herunterbrennt. Bei dieser fragwürdigen Beleuchtung würden Sie leere Regale sehen. Dieses Nichts wird von einem kleinen Kerl in blauer Weste gehütet, der auf den Fingern pfeift, bald auf dem linken und bald auf dem rechten Fuß steht oder sich mit den Händen auf den Rücken schlägt, wie ein Kutscher auf seinem Bock. Sehen Sie her! Er hat nicht mehr Bücher, als Sie hier sehen. Niemand würde vermuten, was für ein Geschäft er macht.«
»Hier haben Sie einen Wechsel über hundert Franken auf drei Monate,« sagte Barbet, der das Lächeln
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