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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nicht zurückhalten konnte, als er ein gestempeltes Papier aus der Tasche zog, »und ich nehme Ihre Schmöker mit. Wissen Sie, ich kann kein bares Geld mehr geben, der Verkauf geht zu schlecht. Ich dachte mir, daß Sie mich brauchen werden, ich hatte keinen Heller und habe, um Ihnen dienlich zu sein, einen Wechsel unterschrieben, denn ich gebe meine Unterschrift nicht gern.«
    »Sie wollen also auch noch Dank und Hochachtung!« sagte Lousteau.
    »Obwohl man seine Wechsel nicht mit Gefühlen einlöst, akzeptiere ich trotzdem Ihre Hochachtung«, sagte Barbet.
    »Aber ich brauche Handschuhe, und die Parfümeriegeschäfte werden so kläglich sein, daß sie Ihr Papier nicht annehmen«, fuhr Lousteau fort. »Halt, da ist ein famoser Stich, hier in der obersten Schublade der Kommode, er ist achtzig Franken wert, er ist avant la lettre, aber nach dem Artikel, denn ich habe einen ziemlich spaßigen darüber geschrieben: ›Hippokrates weist die Geschenke des Artaxerxes zurück!‹ Da konnte es allerlei Hiebe setzen. Na, ist das nicht ein schönes Blatt, das für alle Ärzte paßt, die die übertriebenen Geschenke der Pariser Krösusse zurückweisen? Unter dem Stich liegen auch noch Stücker dreißig Romanzen. Nehmen Sie den ganzen Schwindel und geben Sie mir vierzig Franken.«
    »Vierzig Franken!« jammerte der Buchhändler und stieß einen Schrei aus wie ein erschrockenes Huhn; »höchstens zwanzig. Die kann ich auch noch verlieren«, fügte er hinzu.
    »Wo sind die zwanzig Franken?« fragte Lousteau.
    »Wahrhaftig, ich weiß nicht, ob ich sie habe«, sagte Barbet und suchte in seinen Taschen. »Da sind sie. Sie plündern mich aus, Sie haben eine Macht über mich...«
    »Schon gut, wir müssen gehen«, sagte Lousteau, nahm Luciens Manuskript und schmierte zwischen Bindfaden und Papier mit der Feder etwas Tinte.
    »Haben Sie noch etwas?« fragte Barbet.
    »Nichts, kleiner Shylock. Ich werde dir ein vorzügliches Geschäft verschaffen – an dem du tausend Taler verlieren sollst, zur Strafe, weil du mich so bestiehlst«, sagte Etienne halblaut zu Lucien.
    »Und Ihre Artikel?« sagte Lucien, als sie dem Palais Royal zusteuerten.
    »Sie haben keine Ahnung, wie so etwas hingepfuscht wird. In der ›Reise nach Ägypten‹ habe ich geblättert und hier und da Stellen gelesen, ohne sie aufzuschneiden, ich habe elf Sprachfehler darin entdeckt. Ich werde eine Spalte schreiben des Inhalts, daß der Verfasser vielleicht die Sprache der Enten versteht, die auf den ägyptischen Steinblöcken, die man Obelisken nennt, ausgehauen sind, aber daß er ganz gewiß seine eigene Sprache nicht versteht, und ich werde es ihm beweisen. Ich werde sagen, er hätte sich, anstatt uns von Naturgeschichte und Altertümern zu reden, nur mit der Zukunft Ägyptens beschäftigen sollen, mit dem Fortschritt der Zivilisation, mit den Mitteln, Ägypten für Frankreich zu gewinnen, das es einmal erobert und wieder verloren hat und jetzt noch durch moralische Einflüsse an sich bringen kann. Dazu eine patriotische Rodomontade, das Ganze gespickt mit Tiraden über Marseille, die Levante, unsern Handel.«
    »Aber wenn er das getan hätte, was sagten Sie dann?«
    »Dann sagte ich, er hätte, anstatt uns mit Politik zu langweilen, sich mit der Kunst beschäftigen und uns das Land nach seiner malerischen und landschaftlichen Seite schildern müssen. Der Kritiker wird dann sentimental. Wir sind überschwemmt mit Politik, sagt er, sie langweilt uns, man findet sie überall. Ich werde meine Sehnsucht nach jenen reizenden Reisebeschreibungen aussprechen, in denen man uns die Schwierigkeiten der Seefahrt, den Reiz der Fahrt durch eine Meerenge, die Freuden der Fahrt über den Äquator schilderte, kurz alles, was die wissen wollen, die nie eine Reise machen. Man macht sich, ohne sie zu tadeln, über die Reisenden lustig, die einen Vogel, der vorbeikommt, einen fliegenden Fisch, einen Fischzug, die festgestellten geographischen Orte, die bezeichneten Untiefen als große Ereignisse feiern. Man verlangt wissenschaftliche Tatsachen, von denen niemand etwas versteht, und die darum wie alles, was tief, geheimnisvoll und unbegreiflich ist, einen besondern Zauber ausüben. Der Abonnent lacht, er ist zufrieden. Was die Romane angeht, so gibt es in der Welt niemanden, der so viel Romane verschlingt wie Florine; sie gibt mir den Inhalt an, und nach dem, was sie mir sagt, schmiere ich meinen Artikel. Wenn sie von dem, was sie die Schriftstellerphrasen nennt, gelangweilt worden ist,

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