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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Miene von der Welt, und betrachtete Camusot und Lucien, die es nicht wagten, einander anzusehen.
    »Ich glaube nicht, was Sie wollen, daß ich glaube«, sagte Camusot; »scherzen Sie nicht, ich habe unrecht.«
    »Entweder bin ich eine elende Dirne, die in einem Augenblick Lust nach dem jungen Herrn bekommen hat, oder ich bin ein armes, unglückliches Geschöpf, das zum erstenmal die wahre Liebe verspürt hat, nach der alle Frauen lechzen. In beiden Fällen muß man mich verlassen, oder mich nehmen, wie ich bin«, sagte sie und machte dabei eine königliche Gebärde, mit der sie den Kaufmann vernichtete.
    »Sollte es wahr sein?« sagte Camusot, der an Luciens Haltung, die den Glauben an eine Täuschung nicht aufkommen ließ, merkte, daß Coralie nicht scherzte.
    »Ich liebe das Fräulein«, sagte Lucien.
    Als Coralie dieses Wort hörte, das mit bewegter Stimme gesprochen war, warf sie sich ihrem Dichter um den Hals, preßte ihn in ihre Arme und wandte dem Seidenfabrikanten den Kopf zu, wie um ihm die wundervolle Liebesgruppe zu zeigen, die sie mit Lucien bildete.
    »Armer Musot, nimm alles zurück, was du mir geschenkt hast, ich will nichts von dir, ich liebe den Knaben da wahnsinnig, nicht wegen seines Geistes, sondern wegen seiner Schönheit. Ich will lieber mit ihm elend sein, als daß mir deine Millionen zur Verfügung stehen.«
    Camusot sank in einen Sessel, nahm den Kopf zwischen die Hände und blieb schweigend sitzen.
    »Wollen Sie, daß wir fortgehen?« fragte sie ihn mit unglaublicher Grausamkeit.
    Lucien lief es kalt über den Rücken, als er sich so mit einer Frau, und dazu einer Schauspielerin, und einem Haushalt bedroht sah.
    »Bleibe hier, behalte alles, Coralie,« sagte der Kaufmann mit einer schwachen und schmerzlichen Stimme, die aus der Seele kam, »ich will nichts zurücknehmen. Es stecken hier in den Möbeln allerdings sechzigtausend Franken, aber ich kann den Gedanken nicht fassen, daß meine Coralie ins Elend gehen soll. Und doch wirst du bald genug darin stecken. So viel Talent der Herr auch haben mag, er kann dir keine Existenz bieten. Das ist das Los, das uns alte Männer alle erwartet! Coralie, laß mir das Recht, dich manchmal zu besuchen! Ich kann dir nützlich sein. Außerdem, muß ich gestehen, wäre es mir unmöglich, ohne dich zu leben.«
    Die Sanftmut dieses armen Mannes, der in dem Augenblick, wo er der Glücklichste zu sein glaubte, um sein ganzes Glück gebracht war, rührte Lucien herzlich, aber nicht Coralie.
    »Komm, armer Musot, komm, sooft du willst,« sagte sie, »ich werde dich lieber haben, wenn ich dich nicht betrüge.«
    Camusot schien zufrieden, daß er nicht aus seinem irdischen Paradies verjagt wurde, wo ihm freilich Leiden bevorstanden, wo er aber hoffte, später wieder in alle Rechte eingesetzt zu werden, da er auf die Zufälle des Pariser Lebens und auf die Verführungen baute, denen Lucien ausgesetzt sein würde. Der alte, geriebene Kaufmann dachte, früher oder später würde sich so ein schöner junger Mann Treulosigkeiten erlauben; und um ihm aufzulauern und ihn vor Coralie zu verderben, wollte er beider Freund bleiben. Diese Feigheit der echten Leidenschaft erschreckte Lucien. Camusot lud sie zu Véry im Palais Royal zum Diner ein, und man nahm es an.
    »Was für ein Glück!« rief Coralie, als Camusot weg war, »nichts mehr von der Dachkammer im Quartier latin, du bleibst hier, wir verlassen uns nicht; du nimmst, um den Schein zu wahren, eine kleine Wohnung in der Rue Charlot, und dann sei's gewagt!«
    Sie fing an, ihren spanischen Tanz wild zu tanzen, eine zügellose Leidenschaft lag darin.
    »Ich kann, wenn ich tüchtig arbeite, fünfhundert Franken monatlich verdienen«, sagte Lucien. »Genau ebensoviel habe ich am Theater, ohne die Spielgelder zu rechnen. Camusot wird mir immer noch die Kleider liefern, er liebt mich! Mit fünfzehnhundert Franken im Monat leben wir wie Krösusse.«
    »Und die Pferde, der Kutscher und der Bediente?« fragte Berenice.
    »Dann mache ich Schulden«, rief Coralie.
    Sie fing wieder an, mit Lucien herumzuwirbeln.
    »Jetzt gilt es also Finots Vorschläge anzunehmen«, rief Lucien.
    »Also vorwärts,« sagte Coralie, »ich ziehe mich an und fahre dich auf deine Redaktion, ich werde dann mit dem Wagen auf dem Boulevard auf dich warten.«
    Lucien setzte sich auf ein Sofa, sah der Schauspielerin zu, während sie sich umkleidete, und überließ sich sehr ernsten Gedanken. Es wäre ihm lieber gewesen, von Coralie zu lassen, als in die

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