Verlorene Illusionen (German Edition)
lustig gemacht halten. Châtelet lag zu seinen Füßen! Herr von Marsay, Vandenesse, Manerville, die die Löwen dieser Zeit waren, warfen ihm jetzt einige hochmütige Blicke zu. Ohne Frage war in der Loge der Frau d'Espard, in der Rastignac einen langen Besuch machte, die Rede von dem schönen und eleganten Lucien, denn die Marquise und Frau von Bargeton betrachteten Coralie durchs Opernglas. Regte sich im Herzen der Frau von Bargeton ein Bedauern darüber, daß sie Lucien verstoßen hatte? Diese Frage beschäftigte den Dichter; als er die Corinna von Angoulême sah, verspürte er im Herzen wieder wie an dem Tage, wo er der Verachtung dieses Weibes und ihrer Cousine in den Champs Elysées ausgesetzt gewesen war, das Verlangen, sich zu rächen.
»Haben Sie, als Sie aus Ihrer Provinz kamen, ein Amulett mitgebracht?« fragte Blondet, als er einige Tage später gegen elf Uhr bei Lucien eintrat, der noch nicht aufgestanden war. »Seine Schönheit«, sagte er zu Coralie, die er auf die Stirn küßte, »richtet vom Keller bis zum Dachboden, in den Tiefen und auf den Höhen Verheerungen an. – Ich muß Sie requirieren, mein Lieber,« sagte er und schüttelte dem Dichter die Hand; »gestern, in der Italienischen Oper, verlangte die Gräfin von Montcornet, daß ich Sie ihr vorstelle. Sie werden doch eine entzückende junge Frau, bei der Sie die Elite der großen Welt finden, nicht abweisen.«
»Wenn Lucien nett ist,« sagte Coralie, »wird er nicht zu Ihrer Gräfin gehen. Was tut er in der vornehmen Gesellschaft? Er würde sich langweilen.«
»Wollen Sie ihn gefangenhalten?« fragte Blondet. »Sind Sie auf die vornehmen Frauen eifersüchtig?«
»Ja,« rief Coralie, »sie sind schlimmer als wir.«
»Woher weißt du das, mein Kätzchen?« fragte Blondet.
»Von ihren Männern«, erwiderte sie. »Vergessen Sie nicht, daß ich ein halbes Jahr Marsays Geliebte war.«
»Glauben Sie, mein Kind,« sagte Blondet, »daß mir viel daran liegt, einen Mann, der so schön ist wie der Ihre, bei Frau von Montcornet einzuführen? Wenn Sie es nicht wollen, ist es, als ob ich nichts gesagt hätte. Aber es handelt sich, glaube ich, weniger um Frauen, als vielmehr darum, Lucien zum Frieden und Erbarmen gegen einen armen Teufel, der die Zielscheibe seines Blattes ist, zu bestimmen. Der Baron du Châtelet ist albern genug, Zeitungsartikel ernst zu nehmen. Die Marquise d'Espard, Frau von Bargeton und der Salon der Gräfin von Montcornet interessieren sich für den Reiher, und ich habe versprochen, Laura und Petrarca, Frau von Bargeton und Lucien, miteinander zu versöhnen.«
»Ah!« rief Lucien, dem in allen Adern frisches Blut rollte und der die berauschende Wonne der gestillten Rache kostete, »ich habe sie also unter meinen Füßen! Ihnen verdanke ich es, daß ich meine Feder, meine Freunde, die verhängnisvolle Macht der Presse anbete. Ich habe noch keinen Artikel über das Fischbein und den Reiher geschrieben. Ich werde hingehen, mein Lieber,« sagte er und legte seinen Arm um Blondet, »ja, ich werde hingehen, aber erst, wenn dieses Paar das ganze Gewicht dieses leichten Dinges verspürt hat!«
Er nahm die Feder, mit der er den Artikel über Nathan geschrieben hatte, und schwang sie in der Luft.
»Morgen schleudere ich ihnen zwei kleine Spalten an den Kopf. Nachher werden wir sehen. Beunruhige dich nicht, Coralie: es handelt sich nicht um Liebe, sondern um Rache, und ich will sie ganz.«
»Du bist ein Mann«, sagte Blondet. »Wenn du wüßtest, Lucien, wie selten es ist, einen solchen Ausbruch in der blasierten Welt von Paris zu erleben, würdest du dich erst fühlen. Du bist ein stolzer Kerl,« sagte er, wobei er sich eines noch stärkeren Ausdruckes bediente, »du bist auf dem Wege, der zur Macht führt.«
»Er wird ans Ziel kommen«, sagte Coralie. »Aber er hat in sechs Wochen schon einen hübschen Weg zurückgelegt.«
»Und wenn er von seinem Zepter nur noch durch einen Raum getrennt ist, der nicht größer ist als ein Leichnam, so kann er sich aus dem Körper Coralies eine Stufe machen.«
»Ihr liebt einander wie im goldenen Zeitalter«, sagte Blondet. »Ich gratuliere dir zu deinem großen Artikel«, fuhr er zu Lucien gewandt fort. »Es stehen viel neue Dinge darin. Du bist jetzt unser Meister geworden.«
Lousteau kam mit Hector Merlin und Vernou, um Lucien zu besuchen, der sich überaus geschmeichelt fühlte, Gegenstand ihrer Aufmerksamkeiten zu sein. Félicien brachte Lucien hundert Franken als Honorar für seinen
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