Verlorene Illusionen (German Edition)
bevor er den Liberalen den Rücken kehrte, die er sich vornahm so trefflich anzugreifen, wie er sie gründlich kennen gelernt hatte. Lousteau seinerseits erhielt zu Luciens Nachteil von Fendant & Cavalier die Summe von fünfhundert Franken in bar als Kommissionsgebühr, weil er den beiden Verlegern, die auf der Suche nach einem französischen Scott waren, diesen künftigen Walter Scott zuführte.
Das Haus Fendant & Cavalier war eine der Verlagsbuchhandlungen, die sich ohne das geringste Kapital etablieren, wie es damals öfter geschah, und wie es immer geschehen wird, solange die Papierlieferanten und Drucker dem Verlagsbuchhandel in der Zeit, die für sieben oder acht dieser Kartenspiele, die man Buchveröffentlichungen nennt, erforderlich ist, Kredit geben. Damals wie heute wurden die Werke den Schriftstellern mit Wechseln auf sechs, neun oder zwölf Monate Ziel abgekauft; und diese Zahlung ist in der Natur des Geschäfts begründet, wie es sich zwischen den Buchhändlern abspielt, die noch länger auf Zahlung warten müssen. Diese Buchhändler bezahlten die Papierlieferanten und die Drucker mit derselben Münze, und sie hatten so ein Jahr lang gratis einen ganzen Verlag in Händen, der aus zwölf oder zwanzig Werken bestand. Gab es zwei oder drei Erfolge, so bezahlte der Erlös der guten Geschäfte die schlechten, und sie hielten sich, indem sie Buch auf Buch pfropften. Waren die Unternehmungen alle zweifelhaft oder bekamen sie es zu ihrem Unglück mit guten Büchern zu tun, die erst verkauft werden konnten, wenn das wahre Publikum auf den Geschmack gekommen war; wurde es schwer, ihre Wechsel einzulösen, machten sie selbst Bankrott, so zeigten sie unbesorgt ihre Zahlungseinstellung an; die Bilanz war im voraus für dieses Ende eingerichtet worden. So waren alle Chancen zu ihren Gunsten, sie spielten auf dem grünen Tuche der Spekulation mit den Geldern anderer, nicht mit ihren eigenen. Fendant & Cavalier waren in dieser Lage; Cavalier hatte seine Geschicklichkeit eingestellt, Fendant seinen Fleiß dazugegeben. Das Gesellschaftskapital verdiente diesen Namen durchaus, denn es bestand aus einigen tausend Franken, mühsam zusammengebrachten Ersparnissen ihrer Geliebten, von denen sie sich beide sehr ansehnliche Gehälter vorbehielten, die peinlich in Diners für Journalisten und Schriftsteller und im Besuch der Theater angelegt wurden, wo die Geschäfte, wie sie sagten, gemacht wurden. Diese halben Spitzbuben galten beide für gerieben; aber Fendant war schlauer als Cavalier. Cavalier war, wie es sich für einen Mann seines Namens in dieser Firma gehörte, auf Reisen, Fendant erledigte die Geschäfte in Paris. Dieses Kompagniegeschäft war, was es zwischen zwei Buchhändlern immer sein wird: ein Duell. Die Kompagnons hatten ihr Geschäft im Erdgeschoß eines von den alten, vornehmen Häusern der Rue Serpente, und das Kontor der Firma erreichte man, nachdem man geräumige Salons durchschritten hatte, die in Magazine umgewandelt worden waren. Sie hatten schon viele Romane veröffentlicht, wie zum Beispiel den ›Turm des Nordens‹, den ›Kaufmann von Benares‹, den ›Born des Grabmals‹, ›Tekeli‹, die Romane von Galt, einem englischen Schriftsteller, der in Frankreich nicht eingeschlagen hat. Die Erfolge Walter Scotts lenkten die Aufmerksamkeit des Buchhandels so stark nach England, daß die Buchhändler als richtige normannische Räuber alle mit der Eroberung Englands beschäftigt waren; sie suchten dort nach einem Walter Scott, wie man später in den kieselhaltigen Erdschichten Asphalt, in den Sümpfen Erdpech suchte und aus den projektierten Eisenbahnen Gewinn schlagen wollte. Zu den größten Dummheiten des Pariser Handels gehört es, daß er den Erfolg im Ähnlichen sucht, wenn er im Entgegengesetzten zu finden ist. Nirgends so wie in Paris tötet der Erfolg den Erfolg. Wenn also Fendant & Cavalier einen Roman des Namens ›Die Strelitzen oder Rußland vor hundert Jahren‹ ankündigten, fügten sie in großen Lettern hinzu: ›Nach Art Walter Scotts.‹ Fendant & Cavalier dürsteten nach einem Erfolg: ein gutes Buch konnte ihnen dazu verhelfen, ihre aufgehäuften Stöße Papier loszuwerden, und sie waren mit der Aussicht geködert worden, daß sie Artikel in die Zeitungen bekämen. Wir wissen, daß das damals die große Bedingung des Absatzes war, denn es ist überaus selten, daß ein Buch wegen seines eigenen Wertes gekauft wird; es wird fast immer aus Gründen veröffentlicht, die mit seinem
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