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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Schneider, die Schneiderin und die Modistin, die alle davor zitterten, es mit dem Journalisten zu verderben, der imstande war ihre Geschäfte in schlechten Ruf zu bringen, nicht abtrünnig wurden. Während des Frühstücks kam Lousteau und rief: »Hurra! Es lebe der ›Bogenschütze Karls IX.‹! Ich habe für hundert Franken Bücher verklopft, Kinder. Hier! Wir wollen teilen.«
    Er übergab Coralie fünfzig Franken und schickte Berenice weg, damit sie ein etwas kräftigeres Frühstück holte.
    »Gestern haben Hector Merlin und ich mit Verlegern diniert, und wir haben den Verkauf deines Romans durch pfiffige Erfindungen vorbereitet. Du stehst also in Unterhandlungen mit Dauriat; aber er knickert, er will nicht mehr als viertausend Franken für zweitausend Exemplare geben, und du willst sechstausend. Wir haben dich doppelt so groß als Walter Scott gemacht. Oh! du hast unvergleichliche Romane in den Eingeweiden! Du bietest nicht ein Buch an, sondern ein Geschäft; du bist nicht der Verfasser eines mehr oder minder vorzüglichen Romans: du bist eine ganze Serie! Dieses Wort Serie hat eingeschlagen. Also vergiß nicht deine Rolle. Du hast in deinem Schreibtisch: ›Die Prinzessintochter oder Frankreich unter Ludwig XIV.‹; ›Cotillon I. oder die ersten Tage Ludwigs XIV.‹; ›Die Königin und der Kardinal oder Paris zur Zeit der Fronde‹; ›Der Sohn Concinis oder eine Intrige Richelieus!‹ ... Diese Romane werden auf dem Umschlag angekündigt. Wir nennen dieses Manöver: den Erfolg in die Höhe schnellen. Man läßt seine Bücher auf den Umschlägen tanzen, bis sie berühmt sind, und man ist dann viel größer durch die Werke, die man nicht schreibt, als durch die, die man gemacht hat. Das ›Unter der Presse‹ ist die literarische Hypothek! Also, Kinder, wir wollen vergnügt sein! Hier ist Champagner. Weißt du, Lucien, die Leute haben Augen gemacht, so groß wie deine Untertassen ... Du hast doch noch Untertassen?«
    »Sie sind gepfändet«, sagte Coralie.
    »Ich verstehe und bedaure«, entgegnete Lousteau. »Die Buchhändler glauben an alle deine Manuskripte, wenn sie ein einziges davon sehen. Im Verlagsbuchhandel will man das Manuskript sehen, man tut so, als ob man es liest. Lassen wir den Verlegern ihre Afferei: nie lesen sie Bücher, sonst würden sie nicht so viele veröffentlichen! Hector und ich haben durchblicken lassen, daß du für fünftausend Franken dreitausend Exemplare in zwei Auflagen bewilligen wirst. Gib mir das Manuskript des ›Bogenschützen‹; übermorgen frühstücken wir bei den Verlegern und seifen sie ein!«
    »Was sind es für welche?« fragte Lucien.
    »Zwei Kompagnons, tüchtige Burschen, recht gewiegt im Geschäft, namens Fendant und Cavalier. Der eine ist ein früherer erster Gehilfe des Hauses Vidal und Porchon, der andere ist der geschickteste Reisende vom Quai des Augustins; sie sind seit einem Jahre etabliert. Erst haben sie etliches Kapital bei der Herausgabe von Romanen aus dem Englischen verloren; jetzt wollen es die guten Menschen mit einheimischer Ware versuchen. Es geht das Gerücht, diese beiden Händler in bedruckten Papieren riskierten nur die Kapitalien anderer Leute; aber ich denke, es ist dir ziemlich gleichgültig, wem das Geld gehört, das man dir gibt.«
    Zwei Tage nachher waren die beiden Journalisten zum Frühstück in der Rue Serpente eingeladen, in dem Stadtviertel, wo Lucien früher gewohnt hatte und in dem Lousteau noch immer sein Zimmer in der Rue de la Harpe beibehalten hatte. Und Lucien, der seinen Freund dort abholte, sah die Kammer noch in dem nämlichen Zustand, in dem sie sich an dem Abend seiner Einführung in die literarische Welt befunden hatte; aber er wunderte sich nicht mehr darüber: seine Erziehung hatte ihn mit den Wechselfällen im Leben der Journalisten vertraut gemacht,und er verstand das jetzt alles. Unser großer Mann aus der Provinz hatte das Honorar für mehr als einen Artikel bekommen und im Spiel draufgehen lassen und damit auch die Lust verloren, welche zu schreiben; er hatte mehr als eine Spalte nach dem trefflichen Rezept geschrieben, das Lousteau ihm angegeben hatte, während sie von der Rue de la Harpe nach dem Palais Royal hinabpromeniert waren. Er war in Abhängigkeit von Barbet und Braulard gekommen, er handelte mit Büchern und Theaterbilletten; er schreckte jetzt vor keinem Lob und keinem Angriff mehr zurück; er empfand sogar in diesem Augenblick eine Art Freude, aus Lousteau noch jeden möglichen Vorteil zu ziehen,

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