Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Verdienst nichts zu tun haben. Fendant & Cavalier sahen in Lucien den Journalisten und in seinem Buch eine brauchbare Ware, denn der Verkauf der ersten Exemplare würde ihnen über einen Ultimo hinweghelfen. Die Journalisten fanden die Kompagnons in ihrem Kontor, den Vertrag fix und fertig und die Wechsel unterzeichnet; diese Schnelligkeit setzte Lucien in Erstaunen. Fendant war ein kleiner, magerer Mann mit einem düstern Gesicht: er sah aus wie ein Kalmücke, hatte eine niedrige Stirn, eine platte Nase, einen zugekniffenen Mund, kleine, funkelnde Augen, gequälte Züge, einen galligen Teint, eine Stimme wie der Klang einer zersprungenen Glocke, alles in allem, das ganze Äußere eines ausgemachten Spitzbuben; aber er wog diese Nachteile durch seine honigsüßen Reden wieder auf und erreichte in der Unterhaltung, was er wollte. Cavalier ein rundlicher Bursche, den man eher für einen Postschaffner gehalten hätte als für einen Buchhändler; er hatte malefizblonde Haare, das rote Gesicht, die plumpe Figur und das ewige Geschwätz eines Geschäftsreisenden.
    »Wir werden nicht viel zu verhandeln haben«, sagte Fendant zu Lucien und Lousteau. »Ich habe das Werk gelesen, es ist sehr literarisch und gefällt uns so gut, daß ich das Manuskript schon in die Druckerei gegeben habe. Der Vertrag ist nach den vereinbarten Dingen abgefaßt worden; übrigens gehen wir nie über die Punkte hinaus, die darin festgelegt sind. Unsere Wechsel laufen auf sechs, neun und zwölf Monate, Sie können sie leicht diskontieren, und wir ersetzen Ihnen den Diskont. Wir haben uns das Recht vorbehalten, dem Werk einen andern Titel zu geben: ›Der Bogenschütze Karls IX.‹ gefällt uns nicht, er reizt die Neugier der Leser nicht genug, es gibt mehrere Könige, die Karl geheißen haben, und im Mittelalter hatte man so viele Bogenschützen. Oh, wenn es hieße: ›Der Soldat Napoleons‹; aber ›Der Bogenschütze Karls IX.‹!... Cavalier müßte für jedes Exemplar, das er in der Provinz losschlägt, einen Geschichtsvortrag halten.«
    »Wenn Sie die Leute kennten, mit denen wir Geschäfte machen!« rief Cavalier.
    »›Die Bartholomäusnacht‹ wäre besser«, schlug Fendant vor.
    »›Katharina von Medici oder Frankreich unter Karl IX.‹«, sagte Cavalier, »klänge mehr wie ein Titel von Walter Scott.«
    »Na, wir können das festsetzen, wenn das Werk gedruckt ist«, meinte Fendant.
    »Wie Sie wollen,« versetzte Lucien, »vorausgesetzt, daß der Titel mir gefällt.«
    Der Vertrag wurde gelesen, unterschrieben, jeder Teil erhielt sein Exemplar, und Lucien steckte mit größter Befriedigung die Wechsel in die Tasche. Dann begaben sie sich alle vier zu Fendant, wo sie ein sehr gewöhnliches Frühstück einnahmen: Austern, Beefsteaks, Nieren in Champagner und Fromage de Brie; aber zu diesen Gerichten gab es köstliche Weine, die Cavalier, der mit einem Weinreisenden bekannt war, beschafft hatte. Im Augenblick, wo man sich zu Tisch setzte, trat der Drucker ein, dem der Druck des Romans anvertraut war, und überraschte Lucien mit den zwei ersten Druckbogen seines Buches.
    »Wir wollen schnell machen,« sagte Fendant zu Lucien; »wir rechnen auf Ihr Buch, wir haben den Erfolg verteufelt nötig.«
    Das Frühstück, das gegen zwölf Uhr mittags begonnen hatte zog sich bis fünf Uhr hin.
    »Wo finde ich Geld?« fragte Lucien, als er mit Lousteau wegging.
    »Suchen wir Barbet auf,« erwiderte Etienne, »ich gehe mit.«
    Die beiden Freunde begaben sich ein wenig erhitzt und vom Wein erregt zum Quai des Augustins.
    »Coralie ist über den Ruin Florines aufs äußerste überrascht. Florine hat ihr erst gestern davon gesprochen und hat dir die Schuld an diesem Unglück zugeschrieben, sie schien so zornig, daß sie sich von dir trennen wollte«, sagte Lucien zu Lousteau. »Es ist wahr«, erwiderte Lousteau, den seine Vorsicht verließ. »Mein Freund, denn du bist mein Freund, du bist ein guter Kerl, du hast mir tausend Franken geliehen und hast sie nur ein einziges Mal zurückverlangt: hüte dich vor dem Spiel. Wenn ich nicht spielte, wäre ich glücklich. Ich bin Gott und dem Teufel Geld schuldig. Ich habe in diesem Augenblick die Häscher des Schuldgerichts auf meinen Fersen, und wenn ich ins Palais Royal gehe, bin ich genötigt, um höchst gefährliche Vorgebirge zu segeln.«
    In der Sprache der Lebemänner bedeutet in Paris ›um ein Vorgebirge segeln‹ einen Umweg machen, entweder um nicht bei einem Gläubiger vorbeizugehen, oder um den Ort zu

Weitere Kostenlose Bücher