Verlorene Illusionen (German Edition)
zehntausend wiederzubekommen; denn seit einigen Tagen sagte ihm Florine, die Zeitschrift Finots ginge nicht, es sollte keine Dividende verteilt werden, es sei im Gegenteil die Rede davon, das Kapital zu erhöhen. Nun hatte der Direktor des Panorama Dramatique, bevor er seine Insolvenz erklärte, das Bedürfnis, einige Gefälligkeitswechsel unterzubringen; und damit Matifat sie ihm unterbrachte, erzählte er ihm den Streich, den Finot ihm spielen wollte. Matifat, der ein guter Kaufmann ist, hat Florine verlassen, sein Sechstel behalten und lacht uns jetzt aus. Finot und ich heulen vor Verzweiflung. Wir haben das Unglück gehabt, einen Mann anzugreifen, der nicht zu seiner Geliebten hält, einen Elenden ohne Herz und ohne Seele. Zum Unglück gehört das Geschäft, das Matifat betreibt, nicht zum Gerichtsstand der Presse. Er ist in seinen Interessen unangreifbar. Man kritisiert einen Drogisten nicht, wie man Hüte, Modeartikel, Theater und Kunst kritisiert. Der Kakao, der Pfeffer, die Farben, die Farbhölzer, das Opium können nicht entwertet werden. Florine ist in Verzweiflung, das Panorama schließt morgen, sie weiß nicht, was nun werden soll.«
»Infolge der Schließung des Theaters tritt Coralie in einigen Tagen am Gymnase auf,« sagte Lucien, »vielleicht könnte sie Florine nützlich sein.«
»Niemals!« erwiderte Lousteau. »Coralie ist nicht sehr gescheit, aber so dumm ist sie doch nicht, daß sie sich eine Rivalin gibt! Unsere Sachen sind greulich verpfuscht! Aber Finot hat es dermaßen eilig, sein Sechstel wiederzubekommen...«
»Warum eigentlich?«
»Mein Lieber, es ist ein vorzügliches Geschäft. Es ist Aussicht, das Blatt für dreimalhunderttausend Franken zu verkaufen. Finot hätte dann ein Drittel und dazu noch eine Kommissionsgebühr, die ihm seine Kompagnons bewilligt haben und die er mit des Lupeaulx teilen müßte. Ich will ihm daher ein Chantagestückchen vorschlagen.«
»Aber Chantage, das ist ja dasselbe wie: die Börse oder das Leben!«
»Nein, es ist besser«, sagte Lousteau. »Es ist: die Börse oder die Ehre! Vorgestern hat ein kleines Blatt, dessen Besitzer man einen Kredit verweigert hatte, geschrieben, die diamantenbesetzte Repetieruhr, die einem berühmten Manne der Hauptstadt gehörte, wäre auf überaus seltsame Weise in die Hände eines Soldaten der Königlichen Garde gekommen, und versprach die Erzählung dieses Abenteuers, von dem es sagte, es klinge wie ein Märchen aus ›Tausendundeiner Nacht‹. Der berühmte Mann hat sich beeilt, den Chefredakteur zum Diner einzuladen. Der Chefredakteur hat sicher bei der Sache etwas gewonnen, aber die Geschichte unserer Zeit hat die Anekdote mit der Uhr eingebüßt. Jedesmal, wenn du siehst, daß die Presse hinter ein paar mächtigen Leuten her ist, mußt du wissen, daß es sich um Anleihen handelt, die abgelehnt worden sind, oder sonst um Dienste, die man nicht erweisen wollte. Diese Chantage hinsichtlich des Privatlebens fürchten die reichen Engländer am meisten; sie spielt in den geheimen Einkünften der englischen Presse, die unendlich viel korrumpierter ist als unsere, eine große Rolle. Wir sind Kinder! In England bezahlt man für einen kompromittierenden Brief fünf- bis sechstausend Franken, um ihn zurückzubekommen.«
»Was für ein Mittel hast du gefunden, um Matifat schlechtzumachen?« fragte Lucien.
»Lieber Freund,« versetzte Lousteau, »dieser elende Krämer hat Florine die seltsamsten Briefe geschrieben: Orthographie, Stil, Gedanken, alles ist von vollendeter Komik. Matifat hat furchtbare Angst vor seiner Frau; wir können, ohne ihn zu nennen und ohne daß er klagen kann, ihn im Schoß seiner Laren und seiner Penaten treffen, wo er sich in Sicherheit glaubt. Stelle dir seine Wut vor, wenn er den ersten Abschnitt eines kleinen Sittenromans liest, der den Titel hat: ›Die Liebschaften eines Drogisten‹, wenn man ihm in durchaus loyaler Weise von dem Zufall Mitteilung macht, der den Redakteuren irgendeines Blattes Briefe in die Hände gespielt hat, in denen er von seinem kleinen Kupido spricht, wo er von ›Romego und Guliga‹ schwärmt und wo er von Florine sagt, er durchquere mit ihr die Wüste des Lebens, was so klingt, als nähme er sie für ein Kamel. Kurz, die Abonnenten können sich vierzehn Tage lang über diese hervorragend komische Korrespondenz totlachen. Und man läßt ihn einen anonymen Brief fürchten, durch den seine Frau die Tatsachen erfährt, die dem Spaß zugrunde liegen. Aber wird Florine es auf
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