Verlorene Illusionen (German Edition)
des Kopfes zu beschränken; und schließlich ist der Mann der stärkste in dieser Wissenschaft, der seinen Kopf über dem Fluß der Ereignisse hält, wenn er schwimmt, und ihn so zu lenken scheint, was zu einer Frage des möglichst geringen spezifischen Gewichts wird. Hier wie in den Künsten kommen tausend Mittelmäßigkeiten auf einen Mann von Genie. Trotz seinem ordentlichen und außerordentlichen Dienst bei der kaiserlichen Hoheit hatte ihn der Einfluß seiner Gönner nicht in den Staatsrat bringen können, er hätte zwar einen ausgezeichneten vortragenden Rat abgegeben, so gut wie viele andere, aber die Prinzessin fand ihn bei sich selbst besser untergebracht als irgendwo anders. Jedoch wurde er zum Baron ernannt, ging nach Kassel als außerordentlicher Gesandter und machte dort in der Tat eine sehr außerordentliche Erscheinung. Mit andern Worten: Napoleon benutzte ihn in kritischer Zeit als diplomatischen Kurier. In dem Augenblick, wo das Kaiserreich zusammenbrach, war dem Baron du Châtelet bereits zugesagt, er solle Gesandter in Westfalen bei Jérôme werden. Nachdem ihm also fehlgeschlagen war, was er einen Botschafterposten in der Familie genannt hatte, ergriff ihn die Verzweiflung; er machte mit dem General Armand de Montriveau eine Reise nach Ägypten. Er war durch höchst absonderliche Ereignisse von seinem Gefährten getrennt worden und zwei Jahre lang von Wüste zu Wüste, von Stamm zu Stamm geirrt, war Gefangener der Araber geworden, die ihn sich einander abkauften, ohne den geringsten Nutzen von seinen Talenten zu haben. Endlich erreichte er das Gebiet des Imam von Maskat, während Montriveau sich nach Tanger gewandt hatte; aber er hatte das Glück, in Maskat ein englisches Schiff zu treffen, das unter Segel ging, und konnte ein Jahr vor seinem Reisegefährten in Paris eintreffen. Sein jüngstes Mißgeschick, einige Verbindungen älteren Datums, Dienste, die er Leuten erwies, die gerade in Gunst waren, empfahlen ihn dem Ministerpräsidenten, der ihn für die nächste Direktorstelle, die frei wurde, bei Herrn von Barante unterbrachte. Die Rolle, die Herr du Châtelet bei der kaiserlichen Hoheit gespielt hatte, sein Ruf als Mann, der sein Glück zu machen verstand, die seltsamen Ereignisse seiner Reise, die Leiden, die er ausgestanden hatte, alles erregte die Neugierde der Frauen von Angoulême. Der Baron Sixtus du Châtelet erkundigte sich nach Brauch und Gepflogenheiten der Oberstadt und richtete sein Benehmen danach ein. Er spielte den Kranken, Blasierten, der an nichts mehr Vergnügen findet. Bei jeder Gelegenheit griff er sich nach dem Kopf, wie wenn seine Leiden ihn nicht einen Augenblick verließen. Dieses kleine Manöver brachte seine Reise in Erinnerung und machte ihn interessant. Er besuchte die höhern Beamten, den General, den Präfekten, den Hauptsteuereinnehmer und den Bischof; aber er zeigte sich überall gemessen, kalt, fast herablassend, wie ein Mann, der nicht an seinem Platz ist und die Freundlichkeit der Mächtigen abwartet. Er ließ seine geselligen Talente erraten, die dadurch gewannen, daß man sie nicht kennen lernte; dann, nachdem er auf sich gespannt gemacht hatte, ohne die Neugier zu ermüden, nachdem er die Nichtigkeit der Männer durchschaut und die Frauen mehrere Sonntage hintereinander im Dom weise geprüft hatte, erkannte er in Frau von Bargeton die Person, deren Intimität ihm zusagte. Er zählte auf die Musik, um sich die Tore dieses Hauses zu öffnen, das gegen Fremde hermetisch verschlossen war. Er verschaffte sich heimlich eine Messe von Miroir und studierte sie sich am Klavier ein; dann bezauberte er an einem schönen Sonntag, wo die ganze gute Gesellschaft von Angoulême in der Messe war, diese Verständnislosen mit seinem Orgelspiel und erweckte das Interesse, das sich an seine Person geknüpft hatte, indem er von den Angehörigen des niedern Klerus überall in der Kirche seinen Namen nennen ließ. Beim Verlassen der Kirche beglückwünschte ihn Frau von Bargeton und bedauerte, keine Gelegenheit zu haben, mit ihm zu musizieren; während dieses Zusammentreffens, das er gesucht hatte, ließ er sich in ganz natürlicher Weise den Zutritt zu ihrem Hause gewähren, den er nicht erlangt hätte, wenn er darum gebeten hätte. Der geschickte Baron kam zu der Königin von Angoulême, der er kompromittierende Aufmerksamkeiten erwies. Dieser alte Geck, denn er war fünfündvierzig Jahre alt, gewahrte in dieser Frau eine ganze, noch ungelebte Jugend, Schätze, die darauf
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