Verlorene Illusionen (German Edition)
in Grau. Ein alter roter Damaststoff, der schlecht dahin paßte, bekleidete die Wände, die altmodisch geformten Möbel waren recht armselig mit rot und weiß karierten Überzügen bedeckt. Der Dichter sah Frau von Bargeton auf dem kleinen gesteppten Polster eines Kanapees sitzen, hinter einem runden Tisch mit grüner Decke. Es stand ein Leuchter mit zwei Kerzen darauf, deren Licht durch einen Schirm gemildert war.
Die Königin stand nicht auf. Sie bog sich sehr anmutig auf ihrem Platz dem Dichter entgegen und lächelte ihm zu, und er fand diese erregende Schlangenbewegung sehr vornehm. Die außerordentliche Schönheit Luciens, die Schüchternheit seines Benehmens, alles an ihm fesselte Frau von Bargeton. Der Poet war schon die Poesie. Der junge Mann betrachtete mit heimlichen Seitenblicken diese Frau, die ihm in Einklang mit ihrem Rufe zu stehen schien; sie enttäuschte keine der Vorstellungen, die er sich von der großen Dame gemacht hatte. Frau von Bargeton trug nach einer neuen Mode ein Barett mit Puffen aus schwarzem Samt. Dieser Kopfputz erinnert etwas ans Mittelalter, und das imponiert einem jungen Mann, dem es sozusagen die Frau erhöht. Dem Barett entquollen üppige rotblonde Haarmassen, deren schimmernde Locken vom Licht vergoldet waren. Die edle Dame hatte den blendenden Teint, mit dem eine Frau das angeblich Mißliche dieser hochblonden Farbe wieder aufwiegt. Ihre grauen Augen funkelten, ihre Stirn, die schon kleine Fältchen zeigte, thronte weiß und kühn gemeißelt darüber; sie waren von perlmutterschimmernden Rändern umgeben, und auf beiden Seiten der Nase ließen zwei blaue Adern das lichte Weiß dieser zarten Umrahmung noch stärker hervortreten. Die Nase hatte eine bourbonische Krümmung, die den Schwung des ovalen Gesichts noch mehr hervorhob, indem sie gewissermaßen einen glänzenden Punkt bildete, worin das Hinreißende und Königliche der Condé zum Ausdruck kam. Die Haare bedeckten den Nacken nicht völlig. Das leicht zusammengenommene Gewand ließ einen schön gebauten Hals sehen, und das Auge erriet darunter eine Brust von schneeiger Weiße. Mit ihren schmalen, gepflegten, aber etwas trockenen Fingern wies Frau von Bargeton dem jungen Dichter mit freundlicher Geste den Stuhl an, der neben ihr stand. Herr du Châtelet setzte sich in einen Lehnstuhl. Lucien bemerkte jetzt, daß sie allein waren. Die Unterhaltung Frau von Bargetons machte den Dichter aus Houmeau trunken. Die drei Stunden, die er bei ihr verbrachte, waren für Lucien einer der Träume, denen man ewige Dauer wünscht. Er fand diese Frau mehr abgemagert als mager, eine Liebende ohne Liebe, zart trotz ihres starken Geistes, ihre Fehler, die von ihren Manieren noch unterstrichen wurden, gefielen ihm, denn die jungen Leute fangen damit an, daß sie die Überspanntheit lieben, diese Lüge der schönen Seelen. Er bemerkte nicht, wie welk und an den Backenknochen gerötet die Wangen waren, ein wie wächsernes Aussehen sie von Sehnsucht, Langweile und manchen Leiden bekommen hatten. Seine Phantasie bemächtigte sich zunächst dieser glänzenden Augen, der feinen Locken, in denen das Licht funkelte, ihrer strahlenden Gesichtsfarbe, und das waren leuchtende Punkte, zu denen es ihn zog, wie den Schmetterling zu den Kerzen. Dann sprach auch diese Seele zu sehr zu seiner, als daß er das Weib hätte beurteilen können. Der Schwung dieser weiblichen Begeisterung, der große Zug dieser nicht mehr ganz jungen Phrasen, die Frau von Bargeton seit langer Zeit wiederholte, die ihm aber neu schienen, bezauberten ihn um so mehr, als er alles schön finden wollte. Er hatte keine Gedichte zum Vorlesen mitgebracht, aber es war nicht die Rede davon: er hatte seine Verse vergessen, um das Recht zu haben, wiederzukommen. Frau von Bargeton hatte nicht davon gesprochen, um ihn zu veranlassen, ihr an einem andern Tag etwas vorzulesen. War das nicht ein erstes Einverständnis? Herr Sixtus du Châtelet war unzufrieden mit diesem Empfang. Zu spät erkannte er in diesem schönen jungen Mann einen Nebenbuhler. Er führte ihn bis zur Ecke der ersten Treppe unterhalb Beaulieus, in der Absicht, ihn mit seiner Diplomatie zu besiegen. Lucien war nicht wenig erstaunt, als er vernahm, wie der Direktor der indirekten Steuern sich rühmte, ihn eingeführt zu haben, und ihm aus diesem Grunde Ratschläge gab.
»Möge es Gott gefallen, daß Lucien besser behandelt würde als er«, sagte Herr du Châtelet. »Der Hof wäre weniger anmaßend als diese Gesellschaft von
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