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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aufgegangenen Sterne am pariser literarischen Himmel überstrahlte. Ein künftiger großer Mann war in Houmeau geboren! Der Direktor des Lyzeums hatte dem Baron wunderbare Gedichte gezeigt. Es handelte sich fast noch um ein Kind, das arm und bescheiden war, um einen Chatterton ohne politische Niedertracht, ohne den wilden Haß gegen die sozial Hochgestellten, der den englischen Dichter stachelte, Pamphlete gegen seine Wohltäter zu schreiben. Frau von Bargeton hatte bisher fünf oder sechs Menschen, die ihre Neigung zu Kunst und Literatur teilten. Der eine, weil er die Geige kratzte, der andere, weil er das weiße Papier mehr oder weniger mit Tusche verschmierte, ein dritter in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Landwirtschaftsgesellschaft, der vierte im Zusammenhang mit einer Baßstimme, mit der er das Se fiato in corpo avete nach Art eines Jagdrufs sang; unter diesen grotesken Gestalten kam sie sich vor wie ein Hungriger bei einer Mahlzeit auf der Bühne, wo die Gerichte aus Pappe sind. So war ihre Freude in dem Augenblick, wo sie diese Nachricht empfing, nicht zu beschreiben. Sie wollte diesen Dichter, diesen Engel sehen! Sie war närrisch nach ihm, sie war begeistert, stundenlang sprach sie von ihm. Zwei Tage nachher hatte unser früherer diplomatischer Kurier mit Hilfe des Lyzeumsdirektors die Einführung Luciens bei Frau von Bargeton vermittelt.
    Ihr allein, arme Heloten der Provinz, für die die sozialen Entfernungen schwerer zu durchlaufen sind als für die Pariser – denn für die verkürzen sie sich von Tag zu Tag –, ihr, die ihr so schwer leidet unter den Gittern, hinter denen jede der verschiedenen Welten der Welt sich entsetzt und Racha! sagt, ihr allein versteht die Erschütterung, die Hirn und Herz Lucien Chardons in Aufregung brachte, als sein ehrwürdiger Direktor ihm sagte, die Tore des Hauses Bargeton sollten sich vor ihm öffnen! Der Ruhm hatte sie ihm aufgeschlossen! Er sollte in diesem Hause aufgenommen werden, dessen alte Giebel seinen Blick auf sich gezogen hatten, wenn er abends mit David auf der Beaulieu-Promenade gewesen war, wobei sie sich gesagt hatten, ihre Namen drängen vielleicht niemals zu diesen Ohren, die Wissenschaft und Kunst nur kannten, wenn sie nicht aus niedrigem Stande erwuchsen. Seine Schwester allein wurde in das Geheimnis eingeweiht. Als gute Wirtschafterin nahm die ahnungsvolle Eva einige Goldstücke aus dem Sekretär und kaufte Lucien beim besten Schuhmacher von Angoulême ein paar feine Schuhe und beim berühmtesten Schneider einen neuen Anzug. Sie versah sein bestes Hemd mit einer Spitzenkrause, die sie selbst wusch und fältete. Welche Freude, als sie ihn so gekleidet sah! Wie war sie stolz auf ihren Bruder! Wieviel Ratschläge hatte sie ihm zu geben! Es fielen ihr tausend Kleinigkeiten ein. Das angestrengte Nachdenken hatte Lucien zu der Gewohnheit gebracht, wenn er sich hinsetzte, immer gleich den Kopf aufzustützen, er zog sogar manchmal einen Tisch zu sich heran, um sich darauf zu stützen. Eva empfahl ihm dringend, sich in dem aristokratischen Heiligtum keinerlei ungenierten Bewegungen zu überlassen. Sie begleitete ihn bis zum Peterstor, ging fast bis zum Dom und sah ihm nach, wie er in die Rue de Beaulieu einbog, um zur Promenade zu gehen, wo ihn Herr du Châtelet erwartete. Das arme Mädchen blieb in großer Erregung zurück, wie wenn ein wichtiges Ereignis geschehen wäre. Lucien bei Frau von Bargeton, das war für Eva das Herannahen des Glücks. Das fromme Kind ahnte nicht, daß, wo der Ehrgeiz beginnt, die unschuldigen Gefühle verschwinden. Als Lucien in der Rue du Minage angelangt war, setzten ihn die äußern Dinge, die ihn umgaben, keineswegs in Erstaunen. Dieser Louvre, den seine Phantasie so vergrößert hatte, war ein Haus, das aus einer besondern mürben Steinart erbaut war, wie man sie in der Gegend findet, und das von der Zeit wie vergilbt aussah. Wie es von der Straße her ziemlich düster sich ausnahm, war es im Innern sehr einfach: es war da der in der Provinz übliche frostig-saubere Hof; eine nüchterne, fast mönchische, wohlerhaltene Architektur. Lucien stieg eine Treppe mit Geländer aus Kastanienholz hinan, deren Stufen nur bis zum ersten Stock aus Stein waren. Er durchschritt ein ärmliches Vorzimmer, einen großen, schlecht erleuchteten Saal und fand die Gebieterin in einem kleinen Salon, der mit geschnitzten Täfelungen im Geschmack des letzten Jahrhunderts bekleidet und in Grau gemalt war. Das Gesims über den Türen war grau

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