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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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warteten, gehoben zu werden, vielleicht eine reiche Witwe, die zu heiraten man hoffen konnte, schließlich eine Verbindung mit der Familie der Nègrepelisse, die es ihm ermöglichte, in Paris bei der Marquise d'Espard Zutritt zu erlangen, deren Einfluß ihm die politische Laufbahn wiedereröffnen konnte. Trotz der düstern und üppig ins Kraut schießenden Mistel, die diesen schönen Baum beschädigte, beschloß er, ihm seine Sorgfalt zu widmen, ihn zu verschneiden, zu pflegen und schöne Früchte von ihm zu ernten. Das adlige Angoulême entsetzte sich über die Einführung eines Glaurs in die Kaaba, denn der Salon der Frau von Bargeton war das Allerheiligste einer Gesellschaft, die von jeder unedlen Mischung frei war. Nur der Bischof verkehrte da regelmäßig, der Präfekt wurde zwei- oder dreimal im Jahr empfangen; der Generaldirektor der Steuern hatte keinen Zutritt; Frau von Bargeton besuchte seine Abende, seine Konzerte, aber sie speiste nie bei ihm. Den Generaldirektor nicht empfangen und einen einfachen Direktor der indirekten Steuern annehmen, dieser Umsturz der Hierarchie schien den mißachteten Autoritäten unfaßbar.
    Wer sich solche Kleinigkeiten, die man übrigens in jeder Schicht der Gesellschaft findet, vorstellen kann, muß verstehen, wie das Haus Bargeton der Bürgerschaft Angoulêmes imponierte. Und gar für Houmeau glänzte die Großartigkeit dieses kleinen Louvre, die Glorie dieses Hotel de Rambouillet des Angoumois, wie eine fernstrahlende Sonne. Die sich dort versammelten, waren ohne Ausnahme die kläglichsten Köpfe, die armseligsten Geister, die erbärmlichsten Tröpfe in einer Runde von zwanzig Meilen. Die Politik ergoß sich in wortreichen und leidenschaftlichen Trivialitäten; die »Quotidienne« schien ihnen lau, Ludwig XVIII. behandelten sie als Jakobiner. Die Frauen waren fast alle dumm, reizlos, zogen sich schlecht an, alle hatten sie irgendeine Unvollkommenheit, die ihnen Abbruch tat, nichts an ihnen war fertig, die Unterhaltung so wenig wie die Kleidung, der Geist so wenig wie das Fleisch. Wenn nicht seine Pläne mit Frau von Bargeton gewesen wären, hätte es Châtelet dort nicht ausgehalten. Trotzdem füllten die Manieren und der Geist der Kaste, das adlige Behaben, der Stolz des Schloßedelmanns, die Kenntnis der Gesetze der Höflichkeit diese ganze Leere aus. Der Adel der Gefühle hatte in Angoulême viel mehr Tatsächlichkeit als in der Sphäre der Pariser Größen; es herrschte dort eine intransigente Anhänglichkeit an die Bourbonen, die durchaus achtbar war. Diese Gesellschaft konnte, wenn das Bild erlaubt ist, einem Silbergerät von alter Form verglichen werden, das vom Alter geschwärzt, aber gewichtig ist. Die Unbeweglichkeit ihrer politischen Meinungen war fast Treue zu nennen. Der Abstand zwischen ihr und dem Bürgertum, die Schwierigkeit, zu ihr zu gelangen, gaben ihr einen Anstrich von Erhabenheit und die Bedeutung, die der Konvention immer innewohnt. Jeder dieser Adligen hatte für die Einwohner seinen Preis, wie die Kauri bei den Negern von Bambara das Geld vertritt. Mehrere Frauen, denen Herr Châtelet geschmeichelt hatte und die in ihm überlegene Eigenschaften erkannten, die den Männern ihrer Gesellschaft fehlten, beruhigten den Ausstand der Eigenliebe: alle hofften sie, die Erbschaft der kaiserlichen Hoheit anzutreten. Die Fanatiker dachten, man würde den Eindringling bei Frau von Bargeton sehen, aber er würde in keinem andern Haus empfangen werden. Du Châtelet war mehreren Demütigungen ausgesetzt, aber er hofierte den Klerus und hielt sich dadurch in seiner Stellung. Alsdann schmeichelte er den Fehlern, die der Provinzboden in der Königin von Angoulême zur Entstehung gebracht hatte, brachte ihr alle neuen Bücher und las ihr die neu erschienenen Gedichte vor. Sie begeisterten sich zusammen an den Werken der jungen Dichterschule, sie aufrichtig, er aber langweilte sich, ertrug jedoch diese romantischen Dichter, für die er als Mann des Empire wenig Verständnis besaß. Frau von Bargeton, die über die Renaissance, die man dem Einfluß der Lilien verdankte, entzückt war, liebte Chateaubriand, weil er Victor Hugo ein göttliches Kind genannt hat. Sie war traurig, daß sie das Genie nur aus der Entfernung kannte, und sehnte sich nach Paris, wo die großen Männer lebten. Herr du Châtelet glaubte alsdann wunder was zu tun, als er ihr mitteilte, es gäbe in Angoulême ein anderes göttliches Kind, einen jungen Dichter, der, ohne es zu wissen, an Glanz die neu

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