Verlorene Illusionen (German Edition)
sicherlich eine Menge Papier erfordern, die fast zehnfach so groß sein mußte als die, auf die der berühmte Ouvrard, der von ähnlichen Motiven sich leiten ließ, zu Beginn der Revolution spekuliert hatte. Aber im Jahre 1821 gab es in Frankreich zu viele Papiermühlen, als daß man hätte hoffen können, sich zu ihrem alleinigen Besitzer zu machen, wie es Ouvrard getan hatte, der sich der wichtigsten Fabriken bemächtigte, nachdem er zuvor ihre Erzeugnisse aufgekauft hatte. David besaß überdies weder die Kühnheit noch die Kapitalien, ohne die derartige Spekulationen nicht möglich sind. Gerade jetzt waren die Maschinen, die Papier in jeder Länge herstellten, in England aufgekommen. Also war nichts notwendiger, als die Papierfabrikation den Bedürfnissen der französischen Zivilisation anzupassen, die in gefährlicher Weise dazu überging, die Diskussion auf alles auszudehnen und das individuelle Denken fortwährend an den Tag zu legen – was ein rechtes Unglück ist, denn die Völker, die überlegen, handeln sehr wenig. Während daher, seltsames Zusammentreffen, Lucien in das Räderwerk des ungeheuren Mechanismus des Journalismus hineingeriet und dabei Gefahr lief, seine Ehre und seinen Geist in Stücke gerissen zu bekommen, beschäftigte sich David Séchard in seiner Druckerei mit dem Fortschritt der periodischen Presse seinen materiellen Konsequenzen nach. Er wollte die Mittel dem Ergebnis anpassen, dem der Geist des Jahrhunderts zustrebte. Sein Gedanke, durch Herstellung billigen Papiers ein Vermögen zu machen, war durchaus richtig, und die Ereignisse haben seine Voraussicht gerechtfertigt. In den letzten fünfzehn Jahren sind der Behörde, die die Gesuche von Erfindern um Patenterteilung zu prüfen hat, mehr als hundert Denkschriften über angebliche Entdeckungen von Stoffen zugegangen, die für die Herstellung von Papier verwendet werden sollten. Er war sich mehr als je über die Nützlichkeit dieser Entdeckung, die nichts Großartiges an sich hatte, aber ungeheuren Gewinn versprach, klar und versenkte sich daher, nachdem sein Schwager nach Paris abgereist war, hartnäckig in das Studium, ohne das dieses Problem nicht zu lösen war. Da er alle seine Mittel erschöpft hatte, um heiraten und die Ausgabe für Luciens Reise nach Paris beschaffen zu können, sah er sich im Anfang seiner Ehe in der tiefsten Armut. Er hatte für den Betrieb seiner Druckerei tausend Franken behalten und schuldete dem Apotheker für einen Wechsel ebensoviel. So war für diesen tiefen Denker das Problem ein doppeltes: er mußte ein billiges Papier erfinden und mußte es schnell erfinden; er mußte endlich den Nutzen seiner Entdeckung den Bedürfnissen seines Haushalts und seines Geschäfts anpassen. Welches Beiwort verdient nun ein Gehirn, das imstande ist die grausamen Sorgen abzuschütteln, die die Not, welche verheimlicht werden muß, und das Schauspiel einer Familie ohne Brot und die täglichen Erfordernisse eines Berufs, wie der des Buchdruckers ist, nach sich ziehen, der so viel Sorgfalt verlangt, und dabei die Gebiete des Unbekannten mit der Glut und dem Rausch des Gelehrten zu erforschen, der auf der Suche nach einem Geheimnis ist, das sich mit jedem Tage neu vor dem Nachdenken und dem Studium des Eifrigen verbirgt? Ach, man wird sehen, daß die Erfinder noch ganz andere Leiden zu erdulden haben, ganz abgesehen von der Undankbarkeit der Massen, denen die Müßigen und die Unfähigen über einen genialen Menschen sagen: »Er war zum Erfinder geboren, er konnte nichts anderes tun. Man braucht ihm für seine Entdeckung so wenig Dank zu sagen wie einem Menschen, der zum Fürsten geboren ist! Er übt seine natürlichen Gaben aus! Und er hat außerdem seinen Lohn in der Arbeit selbst gefunden.«
Die Ehe bringt einem jungen Mädchen schwere geistige und körperliche Störungen, und wenn es sich unter den bürgerlichen Verhältnissen der Mittelklasse verheiratet, muß es überdies noch ganz neue Interessen kennen lernen und sich mit den Geschäften vertraut machen; für die junge Frau kommt also zunächst eine Zeit, wo sie lernen muß und nicht handeln kann. Die Liebe Davids zu seiner Frau schob zum Unglück die Erfahrungen, deren er bedurfte, hinaus; er wagte es am Tage nach der Hochzeit und an den folgenden Tagen nicht, ihr den Stand der Dinge zu bekennen. Trotz dem großen Elend, zu dem ihn der Geiz seines Vaters verdammte, konnte er sich nicht entschließen, ihr den Honigmonat durch den langweiligen Unterricht in seinem
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