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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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und kam in dieser Zeit zufällig nach Angoulême, wo David ihn in dem Augenblick, als seine Militärzeit zu Ende ging, bei einer Parade erblickte. Kolb machte David einen Besuch und verliebte sich in die dicke Marion, bei der er alle die Eigenschaften entdeckte, die ein Mann seiner Klasse von einer Frau verlangt: die strotzende Gesundheit, die die Wangen bräunt, die männliche Kraft, mit der Marion eine Form mit Lettern ohne Schwierigkeit heben konnte, die Frömmigkeit, auf die die Elsässer Wert legen, die Treue gegen die Herrschaft, die von einem guten Charakter zeugt, und schließlich die Sparsamkeit, der sie eine Summe von tausend Franken, Wäsche und Kleider verdankte, die so rein gehalten waren, wie es in der Provinz der Brauch ist. Marion, die dick und fett und sechsunddreißig Jahre alt war, fühlte sich sehr geschmeichelt, Gegenstand der Aufmerksamkeit eines wohlgestalteten Kürassiers von fünf Fuß sieben Zoll zu sein, der ein kräftiger Kerl war, und brachte ihn natürlich auf den Gedanken, Drucker zu werden. In dem Augenblick, in dem der Elsässer endgültig verabschiedet wurde, hatten Marion und David einen ansehnlichen Bären aus ihm gemacht, obwohl er nicht lesen und schreiben konnte. Es gab während dieser drei Monate nicht so fürchterlich viel Akzidenzaufträge, daß Cérizet sie nicht erledigen konnte. Dieser Cérizet war also zugleich Setzer, Metteur und Faktor der Druckerei und verwirklichte demnach, was Kant eine phänomenale Dreiheit nennt: er setzte, korrigierte seinen Satz, schrieb die Bestellungen ein und zog die Rechnungen aus; aber die meiste Zeit über hatte er nichts zu tun und las in seinem Verschlag Romane, bis wieder ein Plakat oder eine Einladungskarte bestellt wurde. Marion, die vom alten Séchard ausgebildet worden war, schnitt das Papier zurecht und befeuchtete es, half Kolb beim Drucken, hängte es zum Trocknen auf, beschnitt es und besorgte deswegen doch die Küche, für die sie am frühen Morgen auf den Markt ging.
    Als Eva sich von Cérizet über das erste Halbjahr Bericht erstatten ließ, erfuhr sie, daß achthundert Franken eingegangen waren. Die Ausgaben beliefen sich, da Cérizet und Kolb tägich, der erste zwei Franken und der zweite einen Franken bekamen, auf sechshundert Franken. Da nun der Preis der Materialien, die für die hergestellten und gelieferten Arbeiten erforderlich waren, hundert und etliche Franken betrug, mußte es Eva klar werden, daß David in den ersten sechs Monaten seiner Ehe seine Miete, die Zinsen für das Kapital, das der Wert seiner Einrichtungen und sein Patent darstellten, die Löhne für Marion, die Druckerschwärze und schließlich die Gewinne, die ein Buchdrucker machen muß, und die Menge Druckereiutensilien verloren hatte, wie z.B. die Tuche, die Seidenstoffe, die man braucht, um den Druck der Presse auf die Lettern dadurch abzumindern, daß man ein Stück Stoff (den Deckel) zwischen den Tiegel der Presse und das Papier, auf das gedruckt wird, einschiebt. Nachdem Eva im allgemeinen die Mittel der Druckerei und ihre Ergebnisse kennen gelernt hatte, merkte sie schon, wie wenig Aussichten dieses Unternehmen, das an Auszehrung litt, im Vergleich mit der energischen Tätigkeit der Brüder Cointet hatte, die zugleich Papierfabrikanten, Zeitungsherausgeber, privilegierte Drucker der bischöflichen Kanzlei und Lieferanten für den Magistrat und die Präfektur waren. Die Zeitung, die Séchard Vater und Sohn vor zwei Jahren für zweiundzwanzigtausend Franken verkauft hatten, brachte jetzt jährlich achtzehntausend Franken ein. Eva gewahrte die Berechnung, die sich unter der anscheinenden Großmut der Brüder Cointet verbarg, welche der Druckerei Séchard genügend Aufträge ließen, um existieren zu können, aber nicht genug, um ihnen Konkurrenz zu machen. Als sie die Leitung der Geschäfte übernahm, fing sie damit an, ein genaues Inventar von allem, was an Wertstücken vorhanden war, aufzunehmen. Sie ließ die Werkstatt von Kolb, Marion und Cérizet aufräumen, putzen und alles in Ordnung bringen. Dann eines Abends, als David von einem Ausflug auf die Felder zurückkehrte – er hatte eine alte Frau bei sich, die einen umfangreichen Packen schleppte –, bat ihn Eva, er sollte ihr raten, wie man die Trümmer, die ihnen der alte Séchard hinterlassen hatte, nutzbringend verwenden könnte, und versprach ihm dabei, sie wollte die Geschäfte allein führen. Auf den Rat ihres Mannes verwandte Frau Séchard das ganze Papier, das sie gefunden und nach

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