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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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des Wechsels‹ bezeichnet wurde und der sich in soundso viel Prozent, die außer dem Diskont von jedem Wechsel abgezogen wurden, ausdrückte. Die Wechsel von Séchard waren also in die Kategorie der Bankgeschäfte übergegangen. Man sollte nicht glauben, in welchem Maße der Umstand, daß zu dem erhabenen Titel des Gläubigers noch die Eigenschaft des Bankiers kommt, die Lage des Schuldners ändert. So sind im Bankverkehr die Bankiers einander schuldig, sowie ein Wechsel, der von dem Platz von Paris nach dem Platz von Angoulême gegangen ist, nicht bezahlt wird, sich das zu senden, was man eine Rikambio-Note nennt. Niemals haben Romanschreiber etwas Unwahrscheinlicheres erfunden, als was hier erzählt wird; denn man höre, zu was für wunderbaren Späßen ein Paragraph des Handelsgesetzbuches die Möglichkeit gibt; diese Auseinandersetzung mag zeigen, wieviel Entsetzliches unter dem schrecklichen Wort ›Gesetzlichkeit‹ verborgen ist.
    Sowie Doublon seinen Protest zu Protokoll genommen hatte, überbrachte er ihn persönlich dem Hause Cointet. Der Gerichtsvollzieher hatte ein Konto für diese Wucherer von Angoulême und gewährte ihnen einen Kredit von sechs Monaten, den der große Cointet, durch die Art, wie er bezahlte, auf ein Jahr hinauszog, wobei er aber von Monat zu Monat seinen Wucherergehilfen fragte: »Doublon, brauchen Sie Geld?« Und das ist noch nicht alles. Doublon gewährte diesem mächtigen Hause einen Rabatt, so daß es an jedem Akt etwas verdiente, ein winziges Bißchen, etwa einen Frank fünfzig Centimes auf einen Protest! ... Der große Cointet setzte sich ruhig an seinen Schreibtisch, nahm ein kleines Blatt Papier, das eine Stempelmarke über fünfunddreißig Centimes trug, und holte dabei aus Doublon Nachrichten über den Stand der Geschäfte der verschiedenen Kaufleute heraus.
    »Nun, sind Sie mit dem kleinen Gannerac zufrieden?«
    »Es geht nicht schlecht. Ein Speditionsgeschäft ...«
    »Ah! er wird große Schwierigkeiten haben! Man hat mir gesagt, seine Frau verursache ihm große Ausgaben ...«
    »Ihm? ...« rief Doublon und grinste.
    Während dieses Gespräches hatte der Wucherer sein Papier in Ordnung gebracht und schrieb nun in Rundschrift die unheilverkündende Überschrift und darunter die folgende Rechnung:
Rikambio-Note und Kosten
    Für einen Wechsel über tausend Franken, datiert Angoulême den zehnten Februar eintausendachthundertzweiundzwanzig, ausgestellt von Séchard jr. auf die Order von Lucien Chardon, genannt von Rubempré, übergegangen an die Order von Métivier und auf unsere Order, fällig gewesen am dreißigsten April dieses Jahres, protestiert vom Gerichtsvollzieher Doublon am ersten Mai eintausendachthundertzweiundzwanzig.
Wechselsumme
1000
fr.

c.
Protest
12
"
35
"
Kommission zu ½ %
5
"

"
Maklergebühr zu ¼ %
2
"
50
"
Stempel für unsern Rückwechsel und für Gegenwärtiges
1
"
35
"
Zinsen und Briefporto
3
"

"
 
----
     
1024
fr.
20
c.
Platzkurs zu 1¼ % auf 1024.20
13
"
25
"
 
----
     
In Summa  
1037
fr.
45
c.
    Eintausendsiebenunddreißig Franken fünfundvierzig Centimes, für welche Summe wir uns befriedigen durch unsern Sichtwechsel auf Herrn Métivier, Rue Serpente in Paris, an die Order des Herrn Gannerac in Houmeau.
    Angoulême, den zweiten Mai eintausendachthundertzweiundzwanzig.
    Gebrüder Cointet.
    Unter diese kleine Rechnung, die mit all der Gewohnheit eines Geübten geschrieben wurde, denn der große Cointet plauderte dabei ununterbrochen mit Doublon, schrieb er die folgende Erklärung:
Wir Unterzeichneten, Postel, Apotheker in Houmeau, und Gannerac, Speditionskommissionär, beide Kaufleute dieser Stadt, bescheinigen, daß der Kurs unseres Platzes auf Paris 1¼ % beträgt.
    Angoulême, den 3. Mai 1822.
    »Hier, Doublon, tun Sie mir den Gefallen und gehen Sie zu Postel und Gannerac, bitten Sie, diese Erklärung zu unterschreiben, und bringen Sie sie mir morgen früh wieder.«
    Und Doublon, dem diese Folterinstrumente geläufig waren, ging, wie wenn es sich um die einfachste Sache von der Welt handelte. Offenbar hätte, auch wenn der Protest, wie in Paris, in verschlossenem Umschlag übergeben worden wäre, ganz Angoulême jetzt von dem unglücklichen Stand der Geschäfte des armen Séchard Kenntnis erhalten müssen. Und Gegenstand wie vieler Anklagen waren seine Geschäftsuntüchtigkeit! Die einen sagten, er habe sich durch die ausschweifende Liebe zu seiner Frau ruiniert; die anderen beschuldigten ihn, er bezeige seinem Schwager zu viel

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