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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Freundschaft. Und was für grausame Schlüsse zogen sie alle aus diesen Vorsätzen! Man dürfte sich niemals der Interessen seiner Nächsten annehmen! Man billigte die Härte des alten Séchard gegen seinen Sohn, man bewunderte ihn!
    Ihr alle, die ihr aus irgendwelchen Gründen unterlasset, euren Verpflichtungen nachzukommen, prüfet jetzt das völlig gesetzliche Verfahren, durch das man in zehn Minuten im Bankverkehr ein Kapital von tausend Franken achtundzwanzig Franken Zinsen bringen läßt.
    Der erste Punkt dieser Rechnung ist der einzige, der unbestreitbar ist.
    Der zweite Punkt enthält den Anteil des Fiskus und des Gerichtsvollziehers. Die sechs Franken, die der Staat einstreicht, indem er die Not des Schuldners zu Protokoll nimmt und das Stempelpapier liefert, werden den Mißbrauch noch lange leben lassen. Man erinnert sich überdies, daß dieser Punkt dem Bankier infolge des von Doublon bewilligten Rabatts einen Gewinn von einem Frank fünfzig Centimes einbringt.
    Die Kommission von ½%, die den dritten Punkt bildet, wird unter dem schlauen Vorwand angerechnet, daß im Bankverkehr ›seine Zahlung nicht erhalten‹ dasselbe ist, wie einen Wechsel diskontieren. Obwohl das völlig entgegengesetzte Dinge sind, wird doch behauptet, es gebe keine größere Ähnlichkeit, als tausend Franken zu geben oder aber sie nicht einzukassieren. Jeder, der Wechsel zum Diskontieren präsentiert hat, weiß, daß der Diskontierer außer den gesetzlichen sechs Prozent soundso viel Prozent unter dem schlichten Namen ›Kommission‹ erhebt, die die Zinsen vorstellen, die ihm über die gesetzliche Gebühr hinaus das Talent einbringt, mit dem er seine Kapitalien wuchern läßt. Je mehr er Geld verdienen kann, um so mehr verlangt er von einem. Man muß daher bei den Dummen diskontieren, da ist es billiger. Aber gibt es im Bankverkehr Dumme?
    Das Gesetz verpflichtet den Bankier, die Höhe des Kurses von einem Wechselmakler bestätigen zu lassen. In den Plätzen, die so unglücklich sind, keine Börse zu haben, wird der Wechselmakler von zwei Kaufleuten ersetzt. Die sogenannte Maklergebühr ist auf ¼% der in dem protestierten Wechsel genannten Summe festgesetzt. Es hat sich der Brauch eingebürgert, diese Kommissionsgebühr anzurechnen, als ob sie den Kaufleuten, die den Makler ersetzen, gegeben worden sei, und der Bankier steckt sie ganz einfach in seine Kasse. So erklärt sich der vierte Punkt dieser lieblichen Rechnung.
    Der fünfte Punkt umfaßt die Kosten des Stempelpapiers, auf dem diese Rückrechnung abgefaßt ist, und des Stempels dessen, was man so erfinderisch den Rückwechsel nennt, das heißt des neuen Wechsels, den der Bankier auf seinen Kollegen zieht, um sich bezahlt zu machen.
    Der sechste Punkt handelt von der Frankatur der Briefe und den gesetzlichen Zinsen der Summe in der ganzen Zeit, während deren sie in der Kasse des Bankiers fehlen kann.
    Der Platzkurs endlich, die große Hauptsache im Bankverkehr, ist der Betrag, den man zahlen muß, um von einem Platz zum andern sich bezahlt zu machen.
    Man prüfe nunmehr diese Rechnung genau, in der, ganz wie Policinello in dem neapolitanischen Lied rechnet, das Lablache so entzückend vortrug, fünfzehn und fünf zweiundzwanzig machen! Offenbar war die Unterschrift der Herren Postel und Gannerac eine Gefälligkeit: die Cointet bestätigten im entsprechenden Fall für Gannerac, was Gannerac für die Cointet bestätigte. Es war die praktische Anwendung des Sprichworts: ›Haust du meinen Juden, hau ich deinen Juden.‹ Die Gebrüder Cointet, die mit Métivier in laufender Rechnung standen, hatten nicht nötig, einen Wechsel auf sie abzugeben. Bei ihrem Verkehr bedeutete ein zurückgegangener Wechsel nichts weiter als eine neue Zeile im Soll und Haben.
    Diese Phantasierechnung hätte also in Wirklichkeit nicht mehr ausmachen dürfen als die tausend Franken, den Protest von dreizehn Franken und ½% Zinsen für einen Monat Rückstand, im ganzen vielleicht eintausendundachtzehn Franken.
    Wenn ein großes Bankhaus durchschnittlich alle Tage eine solche Rückrechnung über einen Wechsel von tausend Franken hat, dann verdient es täglich achtundzwanzig Franken durch die Gnade Gottes und die Einrichtungen der Bank, dieser furchtbaren Monarchie, die die Juden im zwölften Jahrhundert erfunden haben und die heute über die Throne und die Völker herrscht. Mit andern Worten bringen also tausend Franken diesem Hause achtundzwanzig Franken täglich oder zehntausendzweihundertzwanzig

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