Verlorene Illusionen (German Edition)
Aktenstücke zusammen gegeben, als es zu spät war. Eine Schauspielerin sieht in den Vaudevillestücken zu viele Schauspieler in der Rolle von Gerichtsvollziehern, als daß sie sich aus Stempelpapier etwas machte.
Lucien hatte Tränen im Auge, Séchard tat ihm furchtbar leid, er schämte sich seiner Fälschung, und er wollte zahlen. Natürlich beriet er sich mit seinen Freunden, was er tun müßte, um Zeit zu gewinnen. Aber bis Lousteau, Blondet, Bixiou und Nathan Lucien darüber belehrt hatten, daß ein Dichter sich gar nicht um das Handelsgericht zu kümmern hätte, das eine Einrichtung für die Krämer wäre, war gegen den Dichter schon die Exekution vollzogen worden. Er sah an seiner Tür den kleinen gelben Zettel, der gewöhnlich auch die Portiersfrauen gelb vor Wut macht, der auf den Kredit die einschnürendste Wirkung ausübt, in das Herz der kleinsten Lieferanten den Schrecken jagt, und der vor allem das Blut in den Adern der Dichter zum Stocken bringt, die so gefühlvoll sind, daß sie Anhänglichkeit für die Holzstücke, Seidenlappen, Haufen farbiger Wolle und all das Brimborium haben, das man Möbel nennt.
Als die Leute kamen, um Coralies Möbel abzuholen, suchte der Dichter der ›Margueriten‹ einen Freund Bixious, einen Advokaten namens Desroches, auf, der zu lachen anfing, als er sah, daß Lucien wegen einer solchen Kleinigkeit so aufgeregt war.
»Das ist ja nichts, mein Lieber ... Sie wollen Zeit gewinnen?«
»So viel wie möglich.«
»Widersprechen Sie also der Vollstreckung des Urteils. Gehen Sie zu einem meiner Bekannten, Herrn Masson, der vor dem Handelsgericht plädiert, überbringen Sie ihm die Papiere, er wird den Einspruch erneuern, zu Ihrer Vertretung an Gerichtsstelle erscheinen und das Handelsgericht als inkompetent ablehnen. Das macht nicht die geringste Schwierigkeit, Sie sind ja genügend als Journalist bekannt. Wenn Sie vor das Zivilgericht geladen werden, kommen Sie zu mir, da bin ich zugelassen: ich nehme es auf mich, die Leute gründlich abzuführen, die die schöne Coralie kränken wollen.«
Zum achtundzwanzigsten Mai war Lucien vor das Zivilgericht geladen und dort schneller verurteilt, als Desroches geglaubt hatte, denn man ging mit großer Entschiedenheit gegen Lucien vor. Als eine neue Beschlagnahme ins Werk gesetzt wurde, als von neuem der gelbe Zettel an der Flurtür Coralies prangte und man die Möbel wegnehmen wollte, legte Desroches, der sich ein wenig ärgerte, daß er sich von seinem Kollegen, wie er sich ausdrückte, hatte übers Ohr hauen lassen, dagegen Widerspruch ein, behauptete, übrigens mit Recht, daß die Möbel Fräulein Coralie gehörten, und beantragte vorläufige Entscheidung. Der Gerichtspräsident lud daraufhin die Parteien zu einer Verhandlung über den Antrag auf vorläufige Entscheidung, und in dieser wurde das Eigentum der Möbel der Schauspielerin zugesprochen. Métivier legte gegen dieses Urteil Berufung ein, die durch Urteil vom dreißigsten Juli verworfen wurde.
Am siebenten August erhielt der Advokat Cachan mit der Post ein riesiges Aktenbündel, auf dem geschrieben stand: »Métivier gegen Séchard und Lucien Chardon.«
Das erste Stück war die folgende liebliche kleine Rechnung, deren Genauigkeit wir verbürgen. Sie ist Wort für Wort abgeschrieben worden:
Wechsel vom dreißigsten April ds. Js., ausgestellt von Séchard jr. auf die Order von Lucien von Rubempré. (2. Mai.) Rechnung für die Rücksendung
1037
fr.
45
c.
(5. Mai.) Anzeige der Rückrechnung und des Protestes nebst Ladung vor das Handelsgericht von Paris zum 7. Mai
8
"
75
"
(7. Mai.) Termin, Versäumnisurteil, mit der Befugnis zur Verhängung der Schuldhaft
35
"
–
"
(10. Mai.) Ausfertigung des Urteils.....
8
"
50
"
(12. Mai.) Gerichtliche Zahlungsaufforderung
5
"
50
"
(14. Mai.) Beschlagnahmeprotokoll
16
"
–
"
(18. Mai.) Protokoll der Anbringung des Beschlagnahmesiegels
15
"
25
"
(19. Mai.) Anzeige in der Zeitung
4
"
–
"
24. Mai.) Protokoll der Inventarvergleichung vor der Wegnahme der Möbel, ferner enthaltend den Widerspruch gegen die Vollstreckung des Urteils von seiten des Herrn Lucien von Rubempré
12
"
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"
(27. Mai.) Gerichtsurteil, das dem Gesuch Folge gibt und die Parteien auf Grund des gehörig wiederholten Einspruchs vor das Zivilgericht verweist
35
"
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"
(28. Mai.) Ladung Métiviers an Rubempré, unverzüglich vor dem Zivilgericht zu erscheinen, unter Bestellung eines Sachwalters
6
"
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"
(2. Juni.) Nach Anhörung der Parteien Urteil, das Lucien
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