Verlorene Illusionen (German Edition)
das Kind, das ihm seine Händchen entgegenstreckte. Das Kind, das trotz all dieser Sorgen gepflegt wurde wie das eines Pairs von England, hatte ein kleines, rosagefüttertes, gesticktes Häubchen auf dem Kopf.
»Ach was! David soll sich retten, wie er kann; ich denke nur an das Kind!« rief der alte Großvater, »und seine Mutter wird mir recht geben. David ist so gelehrt, daß er wissen muß, wie man seine Schulden zahlt.«
»Ich will Ihnen Ihre Gefühle etwas deutlicher machen«, sagte der Anwalt mit spöttischer Miene. »Hören Sie, Papa Séchard, Sie sind eifersüchtig auf Ihren Sohn. Hören Sie die Wahrheit! Sie haben David in die Lage gebracht, in der er ist, indem Sie ihm Ihre Druckerei dreimal so teuer verkauft haben, als sie wert ist, und indem Sie ihn zugrunde richteten, damit Sie diesen wucherischen Preis bekamen. Jawohl, wackeln Sie nur mit dem Kopf! Die Zeitung, die Sie den Cointet verkauften und deren Kaufpreis Sie ganz in die Tasche steckten, war der ganze Wert Ihrer Druckerei ... Sie hassen Ihren Sohn, nicht nur weil Sie ihn übervorteilt haben, sondern auch, weil Sie aus ihm einen Mann gemacht haben, der über Ihnen steht. Sie geben sich das Ansehen, als ob Sie eine großartige Liebe zu Ihrem Enkel hätten, um den Bankrott Ihrer Gefühle zu Ihrem Sohn und Ihrer Schwiegertochter zu maskieren, die Sie hic et nunc Geld kosten würden, während Ihr Enkel Ihre Liebe nur in extremis braucht. Sie lieben das kleine Kerlchen da, um sich die Miene zu geben, überhaupt jemanden aus Ihrer Familie zu lieben, und nicht für gefühllos zu gelten. So sieht der Boden Ihres Sackes aus, Vater Séchard ...«
»Haben Sie mich kommen lassen, damit ich das anhören soll?« fragte der alte Mann in drohendem Tone und blickte der Reihe nach seinen Anwalt, seine Schwiegertochter und seinen Sohn an.
»Aber, Herr Petit-Claud,« rief die arme Eva, »wollen Sie uns denn ganz und gar zugrunde richten? Niemals hat sich mein Mann über seinen Vater beklagt ...«
Der Winzer sah seine Schwiegertochter tückisch an.
»Er hat mir hundertmal gesagt, daß Sie ihn auf Ihre Weise lieben«, sagte sie zu dem alten Manne, dessen Mißtrauen sie verstehen konnte.
Nach den Instruktionen des großen Cointet war jetzt Petit-Claud dabei, den Vater und den Sohn völlig miteinander zu verfeinden, damit der Vater David nicht aus seiner grausamen Lage befreien konnte.
»An dem Tage, an dem wir David im Gefängnis haben,« hatte der große Cointet am Tage vorher zu Petit-Claud gesagt, »werden Sie Frau von Senonches vorgestellt.«
Das helle Verstehen, das die Liebe mit sich bringt, hatte Frau Séchard ein Licht aufgesteckt. Sie erriet diese Feindschaft auf Kommando, wie sie schon hinter den Verrat Cérizets gekommen war. Man kann sich Davids erstauntes Gesicht leicht denken, da er nicht verstehen konnte, woher Petit-Claud seinen Vater und seine Angelegenheiten so gut kannte. Der ehrliche Drucker wußte nichts von der Verbindung seines Anwalts mit den Cointet, und ebensowenig ahnte er, daß die Cointet hinter Métivier steckten. Davids Schweigen war für den alten Winzer kränkend; und so benutzte der Anwalt die Verwunderung seines Klienten, um den Schauplatz zu verlassen.
»Leben Sie wohl, lieber David, Sie sind gewarnt; gegen die Schuldhaft ist keine Berufung zulässig; es steht Ihren Gläubigern nur noch dieser Weg offen, sie werden ihn einschlagen. Bringen Sie sich also in Sicherheit!... Oder noch besser, wenn Sie mir folgen wollen, sehen Sie einmal zu und suchen Sie die Brüder Cointet auf; sie haben Kapital, und wenn Ihre Entdeckung so weit ist, wenn sie hält, was sie verspricht, assoziieren Sie sich mit ihnen, es sind doch schließlich treffliche Menschen...«
»Was ist das für ein Geheimnis?« fragte der alte Séchard.
»Aber halten Sie denn Ihren Sohn für so töricht, daß er seine Druckerei im Stiche läßt, ohne an etwas anderes zu denken!« rief der Anwalt, »er ist im Begriff, hat er mir gesagt, ein Mittel zu finden, durch das man das Ries Papier, das jetzt zehn Franken kostet, für drei Franken herstellen kann.«
»Also noch ein Versuch, mich zu fangen!« rief der alte Séchard. »Ihr seid alle miteinander im Bunde, wie die Spitzbuben auf dem Jahrmarkt. Wenn David das gefunden hat, braucht er mich nicht mehr, dann ist er Millionär! Adieu, Freunde, guten Abend!«
Damit ging der Alte die Treppe hinunter.
»Denken Sie daran, sich zu verstecken«, sagte Petit-Claud zu David und lief hinter dem alten Séchard her, um ihn noch
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