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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Cointet beteiligte natürlich Métivier mit einem gewissen Prozentsatz an diesen Lieferungen, um einen geschickten Vertreter auf dem Pariser Platz zu haben und seine Zeit nicht mit Reisen zu verlieren. Das Vermögen Métiviers, das zu den beträchtlichsten im Papierhandel gehört, stammt aus diesem Geschäft. Zehn Jahre lang hat er, ohne daß eine Konkurrenz möglich war, die Papierlieferungen für die Pariser Zeitungen gehabt. Der große Cointet kehrte, ohne über diese künftigen Aussichten auf Absatz ein Wort fallen zu lassen, gerade rechtzeitig nach Angoulême zurück, um der Verheiratung Petit-Clauds beizuwohnen, dessen Praxis verkauft war und der die Bestätigung seines Nachfolgers abwartete, um die Stelle des Herrn Milaud einzunehmen, die dem Schützling der Gräfin du Châtelet versprochen war. Der zweite Substitut des Prokurators von Angoulême wurde zum ersten Substituten in Limoges ernannt, und der Justizminister schickte einen seiner Schützlinge an die Staatsanwaltschaft von Angoulême, wo der Posten des ersten Substituten zwei Monate lang frei war. Diese Zwischenzeit waren Petit-Clauds Flitterwochen. Während der Abwesenheit des großen Cointet machte David zunächst eine erste Bütte ohne Leim, die ein Zeitungspapier ergab, das dem bisher von den Zeitungen verwendeten sehr überlegen war, dann eine zweite Bütte mit prächtigem Velinpapier, das für schöne Drucke bestimmt war und von der Druckerei Cointet für eine Ausgabe des Gebetbuches der Diözese benutzt wurde. Die Materialien waren von David selbst im geheimen zugerüstet worden, denn er duldete keine anderen Arbeiter bei sich als Kolb und Marion.
    Als der große Cointet zurückgekehrt war, nahm alles ein anderes Aussehen an. Er besah sich die Proben der hergestellten Papiere und war nur mäßig damit zufrieden.
    »Lieber Freund,« sagte er zu David, »die Hauptsache für unsern Papierhandel in Angoulême ist das Schreibpapier, hauptsächlich unser Muschelpapier. Es handelt sich vor allem darum, ein möglichst schönes Muschelpapier fünfzig Prozent unter dem Preis des jetzigen herzustellen.«
    David versuchte eine Bütte Muschelpapier zu machen, und er bekam ein Papier, das rauh wie eine Bürste war und bei dem der Leim überall in kleinen Klümpchen saß. An dem Tage, an dem der Versuch zu Ende war und David einen der Bogen in der Hand hielt, ging er in einen Winkel, er wollte allein sein, um seinen Gram zu überwinden; aber der große Cointet suchte ihn auf und war zu ihm reizend liebenswürdig. Er tröstete seinen Teilhaber.
    »Lassen Sie sich nicht entmutigen,« sagte Cointet, »gehen Sie immer weiter! Mit mir kann man reden, ich verstehe Sie und halte bis zum Ende aus!«
    »Wahrhaftig,« sagte David zu seiner Frau, als er zum Essen nach Hause kam, »wir haben es mit wackern Leuten zu tun, und ich hätte nie den großen Cointet für so großmütig gehalten!«
    Und er erzählte seine Unterhaltung mit seinem perfiden Teilhaber.
    Drei Monate gingen über Versuchen hin. David schlief in der Papierfabrik, er beobachtete die Ergebnisse der verschiedenen Zusammensetzungen seines Zeuges. Bald schrieb er seinen Mißerfolg dem Gemenge aus Lumpen und seinen Pflanzenstoffen zu, und er stellte eine Bütte her, die nur aus seinen neuen Stoffen zusammengesetzt war, und bald versuchte er, eine Bütte zu leimen, die nur aus Lumpen zusammengesetzt war. Und so verfolgte er sein Werk weiter mit bewundernswerter Hartnäckigkeit und immer unter den Augen des großen Cointet, gegen den der Bedauernswerte kein Mißtrauen hatte, und so ging er von Zusammensetzung zu Zusammensetzung, bis er all seine verschiedenen Gemenge mit allen verschiedenen Leimen durchprobiert hatte.
    Während der ersten sechs Monate des Jahres 1823 lebte David Séchard mit Kolb in der Fabrik, wenn das leben heißen konnte; denn er vernachlässigte seine Ernährung, seine Kleidung und seine Person. Er schlug sich so verzweifelt mit den Schwierigkeiten herum, daß es für andere Menschen als die Cointet ein erhabenes Schauspiel gewesen wäre: kein Gedanke an Interessen lebte in diesem tapfern Kämpfer. Es gab einen Augenblick, wo er nichts als den Sieg wünschte. Er beobachtete mit wunderbarem Scharfsinn die absonderlichen Ergebnisse der Stoffe, die vom Menschen nach seinem Gefallen in Produkte verwandelt werden, wo die Natur bis zu gewissem Grade in den geheimen Widerständen, die sie leistet, gezähmt ist, und er leitete daraus schöne Gesetze für die Industrie ab, indem er beobachtete, daß

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