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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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man diese Art Schöpfungen nur erlangen konnte, wenn man den sonstigen Beziehungen der Dinge gehorchte, dem, was er die zweite Natur der Stoffe nannte. Endlich gelang es ihm im August, ein in der Bütte geleimtes Papier zu erlangen, das dem, das die Industrie gegenwärtig herstellt und das in den Druckereien zu Korrekturabzügen benutzt wird, völlig ebenbürtig war. Aber die Sorten dieses Papiers fallen nie gleich aus, und ihre Leimung ist auch nicht immer zuverlässig. Dieses Resultat, das im Jahre 1823 in Anbetracht des Standes der Papierfabrikation so hervorragend war, hatte zehntausend Franken gekostet, und David hoffte, die letzten Schwierigkeiten des Problems lösen zu können. Aber es verbreiteten sich jetzt in Angoulême und in Houmeau sonderbare Gerüchte: David Séchard sollte die Gebrüder Cointet ruinieren. Nachdem er dreißigtausend Franken für Experimente verpulvert hätte, wäre es ihm schließlich, sagte man, gelungen, ein sehr schlechtes Papier zu machen. Die andern Fabrikanten waren ängstlich und hielten sich an ihr altes Verfahren; und aus Eifersucht auf die Cointet verbreiteten sie das Gerücht von dem bevorstehenden Zusammenbruch dieses ehrgeizigen Hauses. Der große Cointet seinerseits ließ Maschinen zur Herstellung des endlosen Papiers kommen, wobei er glauben ließ, diese Maschinen wären für die Versuche David Séchards notwendig. Aber der Jesuit mengte in sein Zeug die Zutaten, die er durch Séchard kennen gelernt hatte, und drängte ihn immer weiter, sich nur um das Leimen in der Bütte zu kümmern, während er an Métivier Tausende Ries Zeitungspapier expedierte.
    Im September nahm der große Cointet David Séchard beiseite, und als er von ihm hörte, er überlege ein Experiment, das ihm endlich den Sieg bringen müßte, riet er ihm, diesen Kampf nicht fortzusetzen.
    »Lieber David, suchen Sie Ihre Frau in Marsac auf und ruhen Sie sich von Ihren Anstrengungen aus; wir wollen uns nicht ruinieren«, sagte er freundschaftlich. »Was Sie als einen großen Sieg ansehen, ist immer nur wieder ein Anfang. Wir wollen jetzt warten, ehe wir weitere Experimente machen. Seien Sie gerecht! Sehen Sie, wie weit wir es gebracht haben. Wir sind nicht bloß Papierfabrikanten, wir sind Drucker, Bankiers, und man sagt, Sie ruinieren uns ...«
    David Séchard machte eine reizend naive Handbewegung, um seine ehrlichen Absichten zu beteuern.
    »Wenn wir fünfzigtausend Franken in die Charente werfen, sind wir noch lange nicht ruiniert,« fuhr der große Cointet in Erwiderung auf Davids Handbewegung fort, »aber wir wollen nicht wegen der Verleumdungen, die über uns im Umlauf sind, genötigt sein, alles bar zu zahlen, das würde unsere Bewegungsfreiheit lähmen. Wir müssen uns also an die Bestimmungen unseres Vertrages halten, daran müssen beide Teile denken.«
    »Er hat recht«, sagte sich David, der sich nur um seine großen Versuche gekümmert und auf das, was sonst in der Fabrik vorging, nicht geachtet hatte.
    Und er ging Heim nach Marsac, wohin er seit einem halben Jahre jeden Samstagabend gekommen war, um Dienstag früh wieder zu gehen. Eva hatte, von dem alten Séchard wohlberaten, ein Haus gekauft, das ›die Verberie‹ hieß. Es lag unmittelbar vor den Weinbergen ihres Schwiegervaters, und es gehörten drei Morgen Gartenlandes und ein Weinberg dazu, der von dem Weingut des alten Séchard eingeschlossen war. Sie lebte mit ihrer Mutter und Marion sehr sparsam, denn sie hatte für dieses reizende Anwesen, das in ganz Marsac das hübscheste war, noch einen Restkaufschilling von fünftausend Franken zu bezahlen. Das Haus, das zwischen Hof und Garten lag, war aus weißem Tuff gebaut, mit Schiefer gedeckt und mit Skulpturen geschmückt, die man sich, da sich der Tuffstein so gut bearbeiten läßt, ohne viel Kosten erlauben konnte. Die hübschen Möbel, die aus Angoulême gekommen waren, schienen auf dem Lande, wo damals in diesen Gegenden niemand den geringsten Luxus entfaltete, noch hübscher. Hinter dem Hause, im Garten, stand eine Reihe Granat- und Orangenbäume und seltene Pflanzen, die der frühere Besitzer, ein alter General, der von der Hand des Herrn Marron gestorben war, selbst gepflanzt hatte.
    David spielte mit Eva und dem kleinen Lucien in Anwesenheit seines Vaters unter einem Orangenbaum, als der Gerichtsvollzieher von Mansle ihm eine Aufforderung der Gebrüder Cointet an ihren Teilhaber zur Bestellung des Schiedsgerichts brachte, dem nach den Bestimmungen ihres Gesellschaftsvertrages ihre

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