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Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Hundertsousstück eine enorme Summe machte, aber er ertrug doch, ohne zu klagen, die sorglichen Überlegungen der Armut und ihre Entbehrungen. Seine düstere Melancholie war dem strahlenden Ausdruck der Hoffnung gewichen. Er sah über seinem Haupte einen Stern strahlen, er träumte von einem schönen Dasein und pflanzte sein Glück auf dem Grabe des Herrn von Bargeton auf, der es von Zeit zu Zeit mit schweren Verdauungsstörungen und der glücklichen Manier hatte, die Unbehaglichkeiten nach dem Mittagessen für eine Krankheit zu halten, die man mit denen nach dem Abendessen kurieren müßte.
    Anfang September war Lucien kein Faktor mehr, er war Herr von Rubempré und wohnte, im Vergleich mit der elenden Dachkammer, in der der kleine Chardon in Houmeau gehaust hatte, ganz prächtig, er war nicht mehr einer aus Houmeau, er bewohnte die Oberstadt Angoulême und speiste nahezu viermal wöchentlich bei Frau von Bargeton. Monseigneur hatte eine Freundschaft für ihn gefaßt, und er fand Zutritt im Bischofspalast. Seiner Beschäftigung nach gehörte er zum Rang der höchstgestellten Personen. Schließlich mußte er eines Tages unter die Berühmtheiten Frankreichs aufgenommen werden. Gewiß, wenn er seinen hübschen Salon, sein reizendes Schlafzimmer und sein sehr geschmackvolles Studierzimmer betrachtete, konnte er sich darüber trösten, daß er von den so schwer verdienten Löhnen seiner Schwester und seiner Mutter dreißig Franken monatlich nahm; denn er sah den Tag kommen, wo der historische Roman, an dem er seit zwei Jahren schrieb, »Der Bogenschütze Karls IX.«, und ein Band Gedichte, der »Die Margueriten« heißen sollte, seinen Namen in der literarischen Welt bekannt machen und ihm so viel Geld verschaffen sollten, daß er seiner Mutter, seiner Schwester und David das geschuldete Geld zurückzahlen konnte. Er fühlte sich, er hörte von seinem Namen die Zukunft schallen, und so nahm er diese Opfer mit vornehmer Ruhe entgegen: er lächelte über seine Not, fand an der letzten Wende seiner Armut einen Genuß. Eva und David hatten das Glück ihres Bruders ihrem eigenen vorangestellt, die Hochzeit verzögerte sich noch, weil die Handwerker mit den Möbeln, den Malereien, den Tapeten für den ersten Stock noch nicht fertig waren, denn die Sachen für Lucien waren zuerst erledigt worden. Wer Lucien kannte, konnte sich über diese Hingebung nicht wundern: er war so verführerisch! seine Art war so schmeichlerisch! er drückte seine Ungeduld und seine Wünsche so reizend aus! seine Sache war immer gewonnen, bevor er noch den Mund auftat. Diese verhängnisvolle Gabe verdirbt mehr junge Leute, als sie zum Heil ausschlägt. Viele von diesen großen Kindern gewöhnen sich an die Zuvorkommenheit, die man einem angenehmen jugendlichen Äußern entgegenbringt, freuen sich über den egoistischen Schutz, den die Welt jemandem gewährt, der ihr gefällt, wie sie ja auch dem Bettler, der zu ihrem Gefühl spricht, ein Almosen gibt, und sie genießen diese Gunst, anstatt sie nützlich zu verwenden. Sie täuschen sich über den Sinn und die Veränderlichkeit der sozialen Beziehungen und glauben immer, daß ihnen dies trügerische Lächeln werden müsse; aber der Augenblick, wo die Welt sie wie alte Koketten und unbrauchbare Lumpen an der Tür eines Salons und an einem Grenzpfahl verläßt, findet sie nackt, kahl, geplündert, ohne Geld und ohne Vermögen. Eva hatte überdies diesen Aufschub gewünscht, sie wollte alles, was für einen jungen Haushalt notwendig ist, mit möglichster Sparsamkeit einrichten. Was hätten zwei Liebende einem Bruder abschlagen können, der wohl, wenn er seine Schwester arbeiten sah, mit einem Ton, der vom Herzen kam, sagte: »Ich wollte, ich könnte nähen!« Und dann war der ernste, beobachtende David mitschuldig an dieser Opferwilligkeit. Trotzdem betrachtete er seit dem Triumph Luciens bei Frau von Bargeton die Umwandlung, die mit ihm vorging, mit ängstlichen Blicken; er fürchtete, Lucien könnte lernen, die Bürgersitten zu verachten. In dem Wunsch, seinen Bruder auf die Probe zu stellen, brachte David ihn einigemal vor die Wahl zwischen den patriarchalischen Freuden der Familie und den Vergnügungen der großen Welt, und wenn es vorkam, daß Lucien ihnen seine eitlen Genüsse preisgab, hatte er wohl ausgerufen: »Man wird ihn uns nicht verderben!« Mehreremal machten die drei Freunde und Frau Chardon miteinander Ausflüge, wie man sie in der Provinz macht: sie gingen in den Wäldern spazieren, die in

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