Verlorene Jugend - Tagebuch eines Soldaten (German Edition)
mir den Wunsch selbst zu erfüllen und dann fehlt mir der Mut. Ist es da verwerflich, wenn ich mir wünsche, ein Casanova zu sein? Wenn mir die Schlagfertigkeit fehlt, die mir erschwert, meine Gleichberechtigung unter Kameraden zu behaupten, die Redegewandtheit eines Weltmannes zu besitzen? Möglicherweise krankt mein Gemüt noch unter der Gabe, Dinge mir einzubilden, die gar nicht sind.
Um ein Ziel zu erreichen, benützt man zwei Wege, einen geraden, umständlichen, ehrlichen und einen krummen, einfachen, hinterhältigen. Wäre es möglich, zwei Wege zu meinem Ziele des männlichen Ideals zu begehen?
30.12.43
Bruder, wo bist du? Schnell gelesen und sofort meinen Schicksalswalzer „Münchner Geschichten“ aus „bal pare“?. Habe ich gefühlt, daß Toni noch lebt? Ich weinte bei dem Gedanken an seine Sehnsucht nach uns. Es muss doch schrecklich sein, die Liebsten in Verzweiflung ums eigene Los wissen, nicht helfen zu können, selber eine tödliche Sehnsucht im Herzen. Muss man da nicht zugrunde gehen? Ich spreche mit ihm, gebe ihm die Kraft, durchzuhalten und fühle seine Erlösung an der eigenen. Welchen Willen muss er haben, um immer wieder auszuhalten! Ich flehe nicht, aber um Dich bitte ich Gott.
31.12.43
Der letzte Tag in diesem Jahr. Mutter! Willi! Ilse, wenn ich an Dich denke, dann bebt mein Herz. Ach wie hab ich Dich geliebt, Toni. Warum muss ich immer weinen, wenn ich in Gedanken mit Dir rede? Toni, sei stark, sei stark! Du musst zurückkommen.
Mutter, Du denkst auch an Toni, ich fühle es, Du weinst wie ich. Nicht, Mutter! Ach – wie soll ich Dich trösten, wenn ich selbst des Trostes bedarf. Mutter, der Glaube – gib auch Du ihm Kraft, einen trotzigen Willen zum Leben, zu uns.
16.4.1944
Damals war ich noch in Dolinskaja. Die Rückzüge nach Rumänien liegen hinter uns. Von Nowo Ukrainka bis Balta mit dem Zug, von dort nach Birsula-Tschubowka (vor Balta bei Perwomaisk über den Bug) – bei Dubossary über den Dujestr (am 2.4.44) nach Kischinow-Huzi (Rumänien, rechts des Pruth) – Bacau. Und hier hoffen wir, uns einigermaßen wiederherzustellen.
Riga Strand, 8. Juni 44
Genau 2 Jahre Soldat, am 15.V.44 musste ich meine Kameraden, vom Pz.Rgt. 3, verlassen, gerade, als sie sich zu neuem Angriff bei Crinesti in Rumänien bereit gestellt hatten. Es fiel mir nicht leicht, zu gehen. Aber diese Augenblicke wurden schnell durch die Probleme der Gegenwart verdrängt. Wir 7 F.B. wollten nach Wien, nicht nach Lemberg. Eine schöne Fahrt durch Ungarn über Madefalva, Debrecen, Szolnok – Budapest (nachts) – Wien.
Am 21.V. (Muttertag) zu Hause bis 25.V. Ich war fast nur für Annemarie zu Hause. Sie ist mir zu viel, um sie durch eine Liebe zu einer anderen zu verlieren. Und, doch weiß ich, entweder Liebe oder sie geht mir verloren. Ihr kommt der Gedanke an Liebe ganz absurd vor.
Am 27. Mai in Riga Strand – Bulduri an der Ostsee. Schöner Badeort, hübsche Mädchen. Mein Unvermögen mit Frauen umzugehen, bringt mich manchmal in Wut.
Königsbrück, 17.VII.44
Nach einer längeren Bahnfahrt 4. Klasse am 17.VI. in Fallingbostel bei Hannover auswaggoniert. Einen kurzen Vorbereitungslehrgang mit knapper Not bestanden. In mir reift der Entschluss, eine Umschulung auf Tiger und Panther zu machen, dann in den Einsatz, um einmal Richtiges zu erleben.
In Königsbrück bei Dresden (am 13.VII. angekommen) verstärkt sich dieser Entschluss. Mein Charakter ist gut, ich muß ihn noch festigen, dazu brauche ich den Einsatz. Also, ein Erstesmal einen festen Entschluss gefasst.
Königsbrück, 10.VIII.44
Die kriegerische Lage wird immer ernster. Die Front in Frankreich ist stützpunktartig. Ich bin hier, weiß daß ich mein Ziel nicht erreichen kann und
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