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Verlorene Liebe

Verlorene Liebe

Titel: Verlorene Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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gelähmt sein.
    Sie wußte ganz genau, wie sie vorgehen würde. Hatte sie nicht ihr halbes Leben damit verbracht, Plots zu entwickeln? Und dies hier war die realistischste Story, mit der sie es je zu tun gehabt hatte. Dank ihres Talents würde sie keinen Fehler begehen.
    Als der Mann ging, waren sie schon per du. Grace wünschte seinem Sohn für das Spiel am heutigen Nachmittag viel Glück und fügte hinzu, sie hoffe, ihn in ein paar Jahren in der Profi-Liga spielen zu sehen. Wieder allein dachte sie nur an das neue Telefongerät, das jetzt auf dem kleinen Schreibtisch in ihrem Schlafzimmer stand. In einigen Stunden würde es zum erstenmal läuten. Und bis dahin gab es noch eine Menge zu erledigen.
    Sie rief Tess an; das Gespräch vertrieb ihre Sorgen und festigte ihren Entschluß. Natürlich hatte die Psychologin auch einige Bedenken geäußert, aber die zählten nicht angesichts der neuen Argumente, die Grace jetzt besaß. Zufrieden nahm sie den Schlüsselbund ihrer Schwester in die Hand. Ja, das, was sie plante, war richtig, da bestand kein Zweifel mehr. Alles, was ihr jetzt noch zu tun blieb, war, die anderen davon zu überzeugen.
    Als sie jetzt zur Wache fuhr, war sie kein bißchen nervös. Ihr Selbstbewußtsein war zurückgekehrt und damit auch die grimmige Entschlossenheit, das zu Ende zu bringen, was sie mit ihrer Bewerbung bei Fantasy begonnen hatte. Sie drehte das Autoradio auf und ließ sich von Madonnas neuestem verruchten Song bedröhnen. Die Musik tat ihr gut, und sie fühlte sich immer besser. Zum erstenmal seit Wochen konnte sie den Frühling genießen, der in voller Pracht in Washington Einzug gehalten hatte.
    Die Azaleen zeigten sich von ihrer großartigsten Seite. In jedem Vorgarten standen sie fliederfarben, purpurn und korallenrot in überwältigender Blüte. Die Narzissen zogen sich langsam zurück und machten den Tulpen Platz. Die grünen Rasen erhielten ihren Sommerschnitt. Junge Burschen in T-Shirts oder alte Männer mit Baseballkappen schoben Rasenmäher. Hyazinthen und Hartriegel fügten dem Gesamtbild weiße Tupfer hinzu.
    Die Natur erwachte kraftvoll aus dem Winterschlaf. Nein, dieser Satz war nicht kitschig, sagte sie sich; denn genauso fühlte sie sich. Nach der langen Starre infolge von Kathleens Ermordung war sie endlich wieder fit und voller Tatendrang. Sie verlangte vom Leben mehr, als daß es einfach nur weiterging. Jahr für Jahr mußte es sich ihrer Ansicht nach verbessern. Mochten draußen in irgendeiner Wüste neue Waffen erprobt werden, hier sangen die Vögel und machten sich die Menschen Gedanken um die Dinge, die sie wirklich bewegten: die Junior-Liga, das erste Grillfest in diesem Jahr oder die Hochzeit eines ihrer Kinder. Ja, dies waren die Anlässe, die in Wahrheit zählten. Wenn der Tod ihrer Schwester ihr viel Kummer bereitet hatte, so hatte er ihr doch auch die Erkenntnis beschert, daß es nur auf die Kleinigkeiten im Alltag ankam. Und sobald sie dafür gesorgt hatte, daß der Gerechtigkeit Genüge getan worden war, konnte sie sich diesen Dingen auch wieder widmen.
    Hinter den Vorgärten erwarteten sie Beton und zäh fließender Verkehr. Dank ihrer natürlichen Fahrbegabung wieselte sie gewagt um die anderen Autos herum. Es machte wenig aus, daß sie nur relativ selten hinter dem Steuer saß; sobald sie sich auf der Straße befand, fuhr sie mit Entschiedenheit und einem geübten Blick für freiwerdende Lücken, mochten andere Fahrer auch mit den Zähnen knirschen und vor sich hin fluchen. Grace war allerdings so in Gedanken, daß sie zweimal falsch abbog, ehe sie endlich den Parkplatz vor der Wache erreichte.
    Wenn sie nur ein bißchen Glück hatte, würde Ed gerade unterwegs sein. Dann konnte sie Captain Harris von ihrem Vorhaben in Kenntnis setzen, und die Angelegenheit wäre damit erledigt.
    Doch kaum betrat sie das Mordkommissariat, erspähte sie Ed. Das Flattern, das sich sofort in ihrem Bauch entwickelte, rührte nicht vom schlechten Gewissen her, sondern aus der Freude, ihn zu sehen. Sie blieb stehen und betrachtete ihn. Er saß an einem Schreibtisch und tippte im Zwei-Finger-System etwas auf der Schreibmaschine.
    Wie groß seine Hände waren. Grace erinnerte sich an ihre Berührungen in der letzten Nacht. Dies war der Mann, der sie liebte. Derjenige, der ihr einen Antrag gemacht hatte, und dem sie auch glaubte, daß er ernste Absichten hatte. Sie konnte schließlich dem Bedürfnis, ihn zu umarmen, nicht länger widerstehen.
    Ed hörte sofort auf zu tippen, als

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