Verlorene Liebe
erfüllte ihn mit Stolz, wenn er verfolgte, wie sein Sohn in der Schule vorankam. Hayden fing bereits an, Pläne für Jeralds politische Karriere zu schmieden. Obwohl er nicht beabsichtigte, während der nächsten Jahre etwas von seiner Macht abzugeben, sollte, sobald es sich denn nicht mehr vermeiden ließe, wenigstens sein eigen Fleisch und Blut an seine Stelle treten.
Hayden erwartete von Jerald, auf diesen Moment zu warten und sich gründlich darauf vorzubereiten.
Der Junge besaß ausgezeichnete Manieren, war intelligent und konnte sich rasch auf neue Situationen einstellen. Wenn er zuviel Zeit allein verbrachte, machte sein Vater dafür die Komplikationen des Heranwachsens verantwortlich, die sich noch für keinen als einfach erwiesen hatten. Der Junge hatte zu seinem Computer eine geradezu emotionale Beziehung. Mädchen schienen ihn noch nicht zu interessieren, und darüber war Hayden zutiefst erleichtert. Wenn ein Junge erst einmal den jungen Frauen hinterhergaffte, mußten Schule und Ambitionen oft zurücktreten. Nun ja, Jerald sah nicht besonders gut aus. Ein Spätzünder, wie Hayden sich oft im stillen sagte. Der Junge war immer schon etwas zu schmal und zu unauffällig gewesen, und wenn man ihn nicht ständig ermahnte, den Rücken gerade zu halten, lief er mit hängenden Schultern herum. Doch auf Dinner-Partys verhielt er sich höflich und gewandt, und mit seinen achtzehn Jahren besaß er solide politische Grundkenntnisse und wußte stets, welche Linie die Partei gerade verfolgte.
Eigentlich gab er seinem Vater nur selten Anlaß zur Sorge.
Das hieß, bis vor kurzem.
»Der Junge ist zu mürrisch, Claire.«
»Aber nein, Charlton.« Sie hielt in der einen Hand ihre langen Perlenohrringe und in der anderen die kleinen, diamantbesetzten, um herauszufinden, welche besser zu ihrem heutigen Abendkleid paßten. »Wir müssen ihm zugestehen, auch einmal schlechte Laune zu haben.«
»Und was soll dann diese komische Erklärung, er habe Kopfschmerzen und könne deshalb nicht an der Dinner-Party teilnehmen?« Charlton plagte sich mit den Manschettenknöpfen ab, die mit seinem Monogramm versehen waren. Die Wäscherei hatte die Hemden zu sehr gestärkt. Er würde mit seinem Sekretär darüber reden müssen.
Während er seine Konzentration auf etwas anderes richtete, betrachtete sie ihn kurz besorgt. »Ich fürchte, er lernt zu hart für die Schule. Und das tut er eigentlich nur, um dir zu gefallen.« Sie entschied sich für die Perlen. »Du weißt doch, wie sehr er zu dir aufschaut.«
»Er ist ein gescheiter Junge. Es besteht überhaupt kein Grund, sich selbst krank zu machen.«
»Sind doch nur simple Kopfschmerzen.« Das heutige Dinner war von großer Wichtigkeit. Da der Wahltag immer näher rückte, würden alle wichtigen Persönlichkeiten kommen. Auch Claire machte sich ihre Sorgen um Jerald, aber an einem Abend wie diesem wollte sie die lieber nicht zur Sprache bringen. Hayden war ihr stets ein guter Mann und immer aufrichtig zu ihr gewesen. Nur Toleranz gegenüber den Schwächen anderer gehörte nicht zu seinen starken Seiten. »Bedräng ihn bitte nicht, Charlton. Ich fürchte, er macht gerade eine schlimme Phase durch.«
»Meinst du damit vielleicht die Kratzer in seinem Gesicht?« Er machte sich daran, den Glanz auf seinen Schuhen zu inspizieren. Das Image mußte stimmen. Allein darauf kam es an. »Glaubst du etwa, daß er mit dem Rad in einen Rosenstrauch gefahren ist?«
»Warum sollte ich daran zweifeln?« Sie bemühte sich vergeblich, ihre Halskette im Nacken zu schließen. Ihre Finger waren einfach zu feucht. »Jerald hat uns noch nie belogen.«
»Ich habe ihn auch noch nie so zerfahren erlebt. Claire, ich muß es einfach sagen: Seit wir aus dem Norden zurück sind, ist er nicht mehr er selbst. Ich erlebe ihn nur noch nervös, so als sei er ständig auf dem Sprung.«
»Ach, Charlton, ihn beschäftigt einfach die Wahl viel zu sehr. Er möchte, daß du gewinnst. Für Jerald bist du bereits Präsident. Hilf mir doch bitte mal, Schatz, heute abend scheine ich wirklich zwei linke Hände zu haben.«
Gentleman, der er war, trat er sofort zu ihr und legte den Haken der Halskette ein. »Bist du aufgeregt?«
»Ich kann nicht verhehlen zu sagen, daß ich froh bin, wenn wir die Wahl hinter uns haben. Du stehst unter Streß, genauso wie wir auch. Charlton …« Claire griff über ihre Schulter nach seiner Hand. Sie mußte ihn einfach fragen, weil es sie viel zu sehr beschäftigte. Und vielleicht war jetzt
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