Verlorene Liebe
mitgeschnitten, 1 oder?«
»Ja, selbstverständlich«, antwortete Ed. »Du machst dir doch nicht etwa deswegen Sorgen, oder?«
»Vielleicht.« Sie spielte mit dem Ärmelsaum. »Ist schon eigenartig zu wissen, daß die Jungs im Revier alles zu hören bekommen, was ich am Telefon gesagt habe.« Aber dank ihres unbeschwerten Naturells konnte sie das rasch abschütteln. »Kommt mir ja selbst merkwürdig vor, was ich am Hörer alles von mir gegeben habe. Da war einer, der Bonsai-Bäume züchtet. Er hat mir während des ganzen Anrufs nur erzählt, wie sehr er diese japanischen Miniaturbäume liebt.«
»Tja, da kommt einem allerlei unter.« Ben bot ihr eine Zigarette an. »Wollte denn einer sich mit dir treffen?«
»Nun, einige ließen etwas in der Art durchklingen, aber keiner hat es wirklich ausgesprochen oder mich bedrängt. Na ja, das Einführungsgespräch heute nachmittag hat mir ziemlich weitergeholfen. Ich habe etliche Tipps erhalten, wie man am besten auf diese oder jene Frage reagiert, und noch einiges mehr.« Grace fühlte sich jetzt so entspannt, daß sie das Ganze wieder belächeln konnte. »Ich war bei Jezebel. Sie arbeitet seit fünf Jahren für Fantasy. Nachdem ich eine Weile zuhören konnte, wie sie auf die verschiedenen Anrufer reagierte, hatte ich eine ziemlich gute Vorstellung von dem, was auf mich zukommen würde. Und dann habe ich noch das hier bekommen.« Sie zeigte ihnen einen blauen Schnellhefter. »Mein Handbuch.«
»Ehrlich?« Ben schien es gar nicht fassen zu können und riß ihr die Mappe förmlich aus der Hand.
»Da sind sexuelle Vorlieben aufgelistet. Die bekannten, aber auch einige, von denen ich noch nie gehört habe.«
»Ich auch nicht«, murmelte Ben, der schon eifrig blätterte.
»Außerdem kann man darin erfahren, wie sich ein und dieselbe Sache auf möglichst verschiedene Weise ausdrücken läßt.« Sie blies eine Rauchwolke aus und mußte dann kichern. »Wißt ihr eigentlich, auf wie viele verschiedene Arten man sagen kann …« Grace brach abrupt ab, als sie Eds Blick bemerkte. Ihr wurde gleich klar, daß er im Moment an einer solchen Aufzählung überhaupt nicht interessiert war. »Na ja, ist ganz nützlich. Aber eins könnt ihr mir glauben, es ist wesentlich einfacher, Sex zu praktizieren, als darüber zu reden. Hat jemand Appetit auf leicht angegammelte Schokoladenplätzchen?«
Ed schüttelte sofort den Kopf, und Ben grunzte nur, weil er bereits viel zu sehr in die Lektüre vertieft war. »Paß nur auf, daß dir keine Haare auf den Handflächen wachsen«, ermahnte Ed ihn leise, als Grace das Zimmer verlassen hatte.
»Könnte es fast wert sein«, grinste Ben und sah auf. »Hier stehen Sachen drin, du glaubst es einfach nicht. Warum arbeiten wir beide eigentlich nicht bei der Sitte?«
»Deine Frau ist Psychologin«, erinnerte Ed ihn. »Ich wette, nichts von dem, was da drin steht, könnte sie überraschen.«
»J^, da hast du vermutlich recht.« Ben legte den Schnellhefter beiseite. »Grace scheint es ganz gut über die Bühne gebracht zu haben, oder?«
»Ja, sieht ganz so aus.«
»Nun sei doch nicht so streng zu ihr, Ed. Sie muß das tun. Und wer weiß, vielleicht löst sie diesen verknoteten Fall ja.«
»Ich hoffe nur, daß sie sich dann nicht rettungslos darin verheddert.«
»Schließlich sind wir ja auch noch hier.« Er schwieg teilnahmsvoll, wußte er doch, was das für ein Gefühl war, wenn man am liebsten gegen etwas treten wollte, aber nichts herumstand, was der Mühe wert schien. »Kannst du dich noch daran erinnern, wie es mir ergangen ist, als Tess im letzten Winter bei uns mitgemacht hat?«
»Ja, sehr gut sogar.«
»Ich stehe auf deiner Seite, mein Freund. Das tue ich doch immer.«
Ed, der während der letzten Minuten auf und ab gelaufen war, blieb plötzlich stehen, als ihm auffiel, wie sehr dieses Haus bereits den Charakter von Grace angenommen hatte. Von Kathleen war hier kaum noch etwas zu bemerken. Vielleicht war das Grace noch gar nicht aufgefallen, aber es war ihr gelungen, mit einigen herumliegenden Illustrierten und ein paar achtlos stehen gelassenen Schuhen die sterile Atmosphäre ihrer Schwester verdrängt zu haben. Gar nicht zu reden von den Blumen, die in einer alten Vase verwelkten, und der Staubschicht auf den Möbeln. Binnen einiger Tage hatte sie dieses Haus in ein Heim verwandelt, auch wenn das womöglich gar nicht ihre Absicht gewesen war.
»Ich möchte, daß sie meine Frau wird.«
Ben starrte seinen Partner eine volle Minute lang an,
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