Verlorene Liebe
solchen Frau gemacht. Und als die beiden sich scheiden ließen, war für mich sofort klar, daß allein Jonathan die Schuld daran trug. Für mich gab es eben immer nur Schwarz oder Weiß, aber nichts dazwischen.«
Grace schwieg und holte tief Luft, weil es jetzt erst recht schwierig für sie wurde. »Ich habe ihn für ihre Tablettensucht und sogar für ihren Tod verantwortlich gemacht. Ed, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich mir gewünscht habe, er sei ihr Mörder.« Als sie ihn ansah, fühlte sie sich auf unerträgliche Weise verletzlich. »Auf der Beerdigung hat Jonathan es mir dann gegeben. Er hat mir all die Dinge gesagt, die ich tief in meinem Herzen längst wußte, mir aber nie eingestehen wollte. Wie habe ich ihn in diesem Moment gehaßt. Vor allem dafür, mir all die Illusionen zerstört zu haben, die ich mir über meine Schwester gemacht hatte. In den vergangenen Wochen habe ich hart an mir gearbeitet, um Kathleen so zu akzeptieren, wie sie wirklich war.«
Ed strich ihr über die Wange. »Du mußtest es so handhaben. Das ist eben dein Naturell.«
Also verstand er sie doch. Wenn sie nicht schon längst in ihn verliebt gewesen wäre, hätte er spätestens jetzt ihr Herz erobert. »Nein, es ging wohl nur so. Die Schuldgefühle sind längst nicht mehr so schlimm. Aber weißt du, sie ist immer noch meine Schwester. Ich kann sie immer noch lieben. Und mir ist bewußt, daß ich ihr diesen letzten Dienst erweisen muß, weil ich sonst nie davon loskomme. Wenn ich mich jetzt für den einfacheren Weg entscheiden würde, fände ich mein Leben lang keine Ruhe mehr.«
»Grace, es bieten sich immer andere Möglichkeiten.«
»Aber nicht hier. Und nicht für mich.« Sie nahm seine Hand. »Du kennst mich längst nicht so gut, wie du vielleicht glaubst. Seit Jahren habe ich alles Unangenehme irgendeinem anderen zugeschoben. Meinem Anwalt, meinem Finanzberater, wem auch immer. Auf diese Weise konnte ich die meisten lästigen Ablenkungen vermeiden und mich ganz aufs Schreiben konzentrieren. Wenn dann doch einmal etwas auftauchte, das ich allein erledigen mußte, habe ich mich immer für den einfachsten Weg entschieden oder die Sache gleich vollkommen ignoriert. Bitte verlang jetzt nicht von mir, dir alles Weitere zu überlassen und nichts zu tun; denn es könnte dir womöglich gelingen, mich zu überzeugen.«
Er fuhr sich durchs Haar. »Was erwartest du denn, daß ich tun soll?«
»Mich verstehen«, antwortete sie leise. »Es ist für mich unglaublich wichtig, daß du mich verstehst. Auch wenn du es nicht kannst, werde ich mein Vorhaben durchziehen, aber es wäre mir wirklich angenehmer, wenn du es wenigstens versuchen würdest.«
»Es ist nicht so, daß ich dich nicht verstehen könnte. Ich halte deinen Plan nur einfach für einen Fehler. Nenn es meinetwegen Instinkt oder was auch immer.«
»Wenn es sich tatsächlich um einen Fehler handeln sollte, dann muß ich ihn machen und auch ausbaden.«
Ein Dutzend vernünftiger Argumente fiel ihm ein, die er jetzt hätte vorbringen können. Aber nur eines davon war ihm wirklich wichtig: »Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir dabei etwas zustoßen sollte.«
Sie setzte ein schiefes Lächeln auf. »Ginge mir genauso. Hör zu, ich bin nicht ganz so blöde, wie du vielleicht vorhin geglaubt hast. Und ich schwöre dir, ich werde mich nicht so idiotisch benehmen wie irgendeine Heldin in einem billigen Action-Film. Du weißt schon, sie weiß, daß ein wahnsinniger Mörder sich in ihrer Gegend herumtreibt, und hört plötzlich draußen ein Geräusch.«
»Ja, und statt Türen und Fenster zu schließen, läuft sie vors Haus, um nachzusehen.«
»Genau.« Grace fand ihr Grinsen wieder. »Weißt du, es hat mich immer schon verrückt gemacht, nach einem vorgegebenen Plot schreiben zu müssen.«
»Warum kannst du nicht vergessen, daß wir uns hier nicht in einem deiner Romane befinden. Du gehst nicht nach einem Drehbuch vor, das du selbst geschrieben und entwickelt hast, Grace.«
»Ich habe wirklich vor, alle Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Und ich rechne damit, von den besten Kräften der hiesigen Polizei unterstützt zu werden.«
»Wenn wir mit dir zusammenarbeiten, wirst du dich dann genau an unsere Anweisungen halten?«
»Unbedingt.«
»Selbst dann, wenn sie dir nicht gefallen?«
»Ich hasse Blanko-Versprechungen, aber meinetwegen.«
Er nahm sie in die Arme. »Darüber reden wir noch.«
13. Kapitel
Charlton P. Hayden konnte auf seiner Wahlkampfreise durch den Norden
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