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Verlorene Liebe

Verlorene Liebe

Titel: Verlorene Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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nicht damit verbringe, durch dunkle Gassen zu schleichen und mich an verkommenen Ecken herumzudrücken, aber ich weiß trotzdem Bescheid. Schließlich bringe ich solche Sachen tagtäglich zu Papier. Und wenn ich mal naiv erscheinen mag, dann nur, weil ich das gerade beabsichtige. Zuerst muß ich damit fertig werden, daß man meine Schwester ermordet hat. Und jetzt muß ich auch noch schlucken, daß sie von einem Minderjährigen vergewaltigt, geschlagen und umgebracht wurde.«
    »Von einem Psychopathen«, verbesserte er sie ganz ruhig. »Geistesgestörtheit gehört nicht zu den Vorrechten bestimmter Altersgruppen.«
    Sie zog eine Schnute und kehrte zu der Zeitung zurück. Grace hatte sich ein Bild vom Täter gewünscht, jetzt besaß sie eines, wenn auch ein recht vages. Ja, sie wollte sich diese Züge einprägen, die verdammte Zeichnung ausschneiden und sie sich übers Bett hängen. Und dann würde sie dieses Gesicht genauso gut kennen wie ihr eigenes.
    »Eins kann ich dir jedenfalls sagen. Letzte Nacht hat kein Jugendlicher bei mir angerufen. Glaub mir, ich habe jedem Kunden sehr genau zugehört und auf jede Nuance, jede Schwankung im Tonfall geachtet. Ein solcher Bengel wäre mir bestimmt aufgefallen.«
    »Stimmen verändern sich, wenn Kinder zwölf oder dreizehn werden.« Als sie schon wieder nach ihrer Zigarettenpackung griff, lag ihm ein scharfer Protest auf der Zunge. Grace konnte sich doch nicht immerzu bloß von Tabak und Kaffee ernähren.
    »Ich spreche nicht von der Tiefe der Stimmlage, sondern von der Phrasierung, von dem, was jemand vorzubringen hat. Vergiß nicht, Dialoge sind meine Spezialität.« Sie fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, um sich zur Ruhe zu bringen. »Ehrlich, wenn ein Teenager angerufen hätte, wäre mir das gleich aufgefallen.«
    »Mag sein. Nein, eigentlich bin ich sogar überzeugt davon. Du hast eine Auge für Details und notierst sie dir, das ist mir nicht entgangen.«
    »Gehört zum Handwerkszeug«, murmelte sie und studierte wieder die Zeichnung. Die Zigarette qualmte unbeachtet vor sich hin. Irgend etwas fehlte an diesem Gesicht. Wenn sie nur lange genug hinsah, würde sie vielleicht dahinterkommen. »Er trägt das Haar recht kurz. Ein Militärschnitt vielleicht, auf jeden Fall sehr konservativ. Sieht mir nicht aus wie einer, der sich auf der Straße herumtreibt.«
    Das war Ed auch schon aufgefallen, aber er wußte, daß die Frisur allein ihnen nicht viel weiterhelfen würde. »Mach mal Pause, Grace.«
    »Geht nicht. Dafür bin ich viel zu sehr in die Geschichte verwickelt.«
    »Und damit nicht mehr unbedingt objektiv.« Er drehte die Zeitung um. »Genauso wenig wie ich. Verdammt, das ist mein Job, und du machst ihn mir zur Hölle.«
    »Wie denn das?«
    Er zwickte sich mit zwei Fingern in die Nase und hätte fast laut gelacht. »Vielleicht, weil ich verrückt nach dir bin. Während ich noch dabei bin, mein Selbstmitleid niederzuringen, kann ich gleich alles zur Sprache bringen. Mir gefällt die Vorstellung nicht, daß du dich mit fremden Männern am Telefon unterhältst.«
    Sie leckte sich über die Vorderzähne. »Verstehe.«
    »Um ganz ehrlich zu sein, ich hasse es sogar. Als Polizist kann ich nachvollziehen, warum du glaubst, das tun zu müssen, aber als …«
    »Du bist ja eifersüchtig.«
    »Unsinn!«
    »Bist du doch.« Sie strich ihm über die Hand. »Danke. Ich sag dir was. Wenn es einem dieser Kerle gelingen sollte, mich zu erregen, komme ich sofort zu dir gelaufen.«
    »Grace, ich meine es ernst.«
    »Gott, Ed, es muß sein. Wenn nicht, werde ich noch verrückt. Ich weiß nicht, wie ich es dir begreiflich machen soll, aber es war schon eigenartig, ihren Wünschen zu lauschen und dabei zu wissen, daß noch jemand mithört. Ich saß da, habe mich auf den jeweiligen Anrufer konzentriert und dabei doch auch an die Beamten gedacht, die alles aufzeichneten …« Sie atmete tief durch. »Ehrlich gesagt, ich habe mich sogar gefragt, was du wohl denken würdest, wenn du jetzt gerade zuhörtest. Und diese Vorstellung hat mich bewogen, mich noch mehr zu konzentrieren.« Sie legte die Zeitung so, daß sie die Titelseite wieder sehen konnte. »Weißt du, auf der einen Seite kam mir alles so lachhaft vor, und auf der anderen Seite mußte ich mich ständig daran erinnern, warum ich das eigentlich tue. Aber wenn ich ihn höre, werde ich sofort Bescheid wissen. Das mußt du mir glauben.«
    Aber Ed sah sie gar nicht an. Etwas von dem, was sie gesagt hatte, brachte ihn auf eine neue

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