Verlorene Liebe
aufblähen, um bei uns groß abzukassieren.«
»Charlton! Nach dem, was der Rektor sagt, hat Jerald versucht, seinen Gegner zu erwürgen.«
Zwanzig Minuten später saß Hayden kerzengerade in Wights Büro. Auf dem Stuhl neben ihm hockte Jerald, den Blick nach unten gerichtet und die Lippen fest geschlossen. Sein weißes Leinenhemd war zerrissen und beschmutzt, aber er hatte sich wenigstens die Zeit genommen, seine Krawatte gerade zu binden. Zu den Kratzern in seinem Gesicht hatten sich ein paar dunkle Flecke gesellt. Und die Knöchel an beiden Händen waren geschwollen.
Ein Blick auf den Jungen hatte Hayden gleich in seiner Überzeugung bestätigt, daß es sich bei dem Vorfall lediglich um eine Rangelei gehandelt haben konnte. Natürlich würde er Jerald zur Ordnung rufen müssen. Ihm eine Strafpredigt halten und ihm für einige Wochen ein paar seiner Vergünstigungen streichen. Hayden überlegte bereits, was er unternehmen konnte, damit die Sache nicht an die Presse gelangte.
»Ich hoffe, wir können diese Angelegenheit rasch regeln.«
Der Rektor seufzte leise. Nur zwei Jahre trennten ihn noch vom Ruhestand. Zwei Jahrzehnte am St. James’ lagen hinter ihm, in denen er die Söhne der Reichen und Mächtigen unterrichtet und ihnen Disziplin beigebracht hatte. Viele seiner Zöglinge hatten es zu etwas gebracht und standen mittlerweile im Rampenlicht des öffentlichen Interesses. Wenn er in seiner langen Dienstzeit eins gelernt hatte, dann daß die Familien, die ihren Nachwuchs zu ihm schickten, keine Kritik zu hören wünschten.
»Ich weiß, daß Sie zur Zeit einen vollen Terminkalender haben, Senator Hayden. Selbstverständlich wäre es mir nie in den Sinn gekommen, um diese Unterredung zu bitten, wenn die Sache mir nicht so dringlich erscheinen würde.«
»Und ich weiß, Rektor, daß Sie etwas von Ihrer Arbeit verstehen, sonst hätten wir Jerald nie auf diese Anstalt geschickt. Trotzdem kann ich nicht umhin, festzustellen, daß die ganze Geschichte unverhältnismäßig aufgebauscht wird. Natürlich heiße ich es nicht gut, wenn mein Sohn sich an Prügeleien beteiligt.« Die letzten Worte waren direkt an Jerald gerichtet. »Und ich versichere Ihnen, daß wir diese Angelegenheit klären werden, zu Hause.«
Wight rückte seine Brille gerade. Sowohl Vater wie auch Sohn Hayden durchschauten diese Geste als Zeichen der Nervosität. Der Senator saß ganz ruhig da, während Jerald sich insgeheim hämisch freute. »Ich weiß das zu würdigen, Mr. Hayden. Trotzdem ruht die Verantwortung für das St. James’ und die Schülerschaft auf meinen Schultern. Als Rektor bleibt mir daher keine andere Wahl, als Ihren Sohn vom Unterricht zu suspendieren.«
Haydens Züge wurden zu Stein, wie Jerald aus dem Augenwinkel erkannte. Nun würde er es dem fettgesichtigen Rektor geben, sagte sich der Junge.
»Das erscheint mir ziemlich extrem. Ich habe selbst eine höhere Schule besucht und kann mich noch gut erinnern, daß Raufereien zwar nicht gern gesehen wurden, man sie aber nie mit so drastischen Maßnahmen wie einem Schulverweis bestrafte.«
»Senator, in diesem Fall kann man wirklich nicht mehr von einer Rauferei sprechen.« Wight hatte den Ausdruck in Jeralds Augen gesehen, als seine Hände um den Hals des Schülers Lithgow lagen. Der Blick hatte ihn erschreckt und zutiefst entsetzt. Selbst jetzt, als der Junge vor ihm mehr kauerte als saß, spürte er das Unbehagen noch. Randolph Lithgow hatte ernste Gesichtsverletzungen davongetragen. Als Mr. Burns versucht hatte, die beiden auseinanderzubringen, war Jerald so ungestüm auf ihn losgegangen, daß der Mann zu Boden gegangen war. Dann hatte er versucht, den schon bewußtlosen Schüler zu erwürgen, bis es mehreren Schülern mit vereinten Kräften gelungen war, ihn loszureißen.
Wight hielt die Hand vor den Mund und hustete nervös. Er war sich der Macht und des Einflusses des Mannes, der ihm gegenübersaß, durchaus bewußt. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde Charlton Hayden der nächste Präsident werden. Und sich rühmen zu dürfen, den Sohn eines Präsidenten auf der Schule gehabt zu haben, der auch noch hier seinen Abschluß gemacht hatte, bedeutete natürlich einen enormen Prestigegewinn. Dieser Umstand hatte den Rektor davor zurückschrecken lassen, Jerald zu relegieren.
»In den vier Jahren, die Ihr Sohn bei uns ist, hatten wir nie den geringsten Ärger mit ihm, was sein Betragen und seine schulischen Leistungen angeht.«
Natürlich hatte Hayden nichts anderes
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