Verlorene Liebe
noch keine Gelegenheit gefunden, mir darüber Gedanken zu machen.«
Ben parkte den Wagen an der Bordsteinkante. »Das solltest du aber schleunigst nachholen.« Er blickte an Ed vorbei auf einen kleinen Laden, der sich zwischen ein halbes Dutzend anderer drängte. Früher mochte das eine schicke Boutique oder ein Kunsthandwerk-Shop gewesen sein, heute hatte dort Fantasy, Incorporated, sein Zuhause gefunden.
»Sieht nicht gerade wie ein Sündenpfuhl aus, was?«
»Was weißt du denn schon darüber?« Ben leckte sich Zuckerguß vom Daumen ab. »Für ein profitables, gut gehendes Unternehmen legen sie aber nicht allzu viel Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild.«
»Ich schaue mir regelmäßig Miami Vice an«, widersprach Ed. Er wartete, bis zwei Autos vorbeigefahren waren, und stieg dann aus.
»Hat ganz den Anschein, als kämen nicht sonderlich viele Kunden auf ein Schwätzchen vorbei.«
Das Büro war nicht größer als ein durchschnittliches Schlafzimmer und hatte offenbar noch nie einen Innenarchitekten gesehen. Die Wände waren weiß gestrichen, den Boden bedeckte ein billiger Teppich. Zwei Schreibtische, ausgemustertes Army-Inventar, bildeten eine von Wand zu Wand reichende Trennlinie, und auf dem wenigen freien Platz standen ein paar Stühle, von denen keine zwei zusammenpaßten und die allesamt den Eindruck machten, von diversen Flohmärkten zu stammen. Nur die Computer auf den Tischen sahen hochmodern aus.
Eine Frau saß an einem Monitor und hörte sofort auf zu tippen, als die beiden eintraten. Sie hatte sich das dichte braune Haar aus dem hübschen, runden Gesicht gekämmt. Auf der Rückenlehne des Schreibtischsessels hing ihr Jackett. Sie lächelte geschäftsmäßig und erhob sich.
»Hallo. Kann ich Ihnen helfen?«
»Wir würden gern mit dem Geschäftsführer sprechen.« Ben zog seine Marke. »Dienstlich.«
Sie nahm seine Marke, studierte sie und reichte sie zurück. »Ich bin die Geschäftsführerin. Was kann ich für Sie tun?«
Ben steckte seinen Ausweis wieder ein. Er wußte nicht mehr genau, wen er hier anzutreffen erwartet hatte, aber ganz gewiß keine adrette junge Frau, die aussah, als hätte sie gerade mit ihren Freundinnen ein Picknick geplant. »Wir würden uns gern mit Ihnen über eine Ihrer Angestellten unterhalten, Miß …«
»Mrs. Cawfield, Eileen Cawfield. Es geht um Kathleen Breezewood, nicht wahr?«
»Ja, Ma’am.«
»Nehmen Sie doch Platz, Detective Paris.« Sie sah Ed fragend an.
»Jackson, ebenfalls Detective.«
»Auch Sie dürfen sich setzen. Möchte einer der Herren Kaffee?«
»Nein, danke«, entgegnete Ed rasch, bevor Ben ja sagen konnte. »Sie wissen, daß Kathleen Breezewood ermordet wurde?«
»Ja, ich habe davon in der Zeitung gelesen. Wie furchtbar.« Sie ließ sich wieder an ihrem Schreibtisch nieder und faltete die Hände auf einer rosafarbenen Schreibunterlage. »Ich habe sie nur einmal gesehen, damals, als sie sich vorstellte. Trotzdem fühle ich mich allen meinen Damen sehr nahe. Sie war sehr beliebt. Im Grunde genommen war Desiree – Verzeihung, wir machen es uns hier viel zu oft zur Angewohnheit, den Künstlernamen unserer Angestellten zu gebrauchen – meine Top-Dame. Kathleen hatte eine so einschmeichelnde Stimme. So etwas ist in unserer Branche von großem Vorteil.«
»Hat Kathleen sich jemals über einen Anrufer beschwert?« Ed zückte sein Notizbuch und schlug es auf einer freien Seite auf. »Hat vielleicht jemand sie bedrängt oder bedroht?«
»Nein, Kathleen hat sich ihre Kunden sehr genau ausgesucht und nicht jeden genommen. Sie war eher, na ja, konservativ, und wir haben das natürlich respektiert. Ein paar von den anderen Damen, die für uns tätig sind, übernehmen die eher ausgefalleneren Wünsche.« Ihr Telefon läutete. »Verzeihen Sie bitte.«
Wie eine altgediente Empfangsdame hatte sie gleich einen Stift in der Hand. »Fantasy, Incorporated … Aber natürlich, gern. Ich stelle gleich fest, ob Louisa zur Verfügung steht. Ich brauche die Nummer Ihrer Kreditkarte … Ja, danke, und jetzt noch die Gültigkeitsdauer bitte … Unter welcher Rufnummer kann man Sie erreichen? … Falls Louisa gerade verhindert ist, wäre Ihnen da eine andere unserer Damen recht? Aha, verstehe. Vielen Dank für den Anruf.«
Eileen legte auf und lächelte den Polizisten halb entschuldigend an. »Dauert nur noch eine Minute. Er gehört zu unseren Stammkunden, deswegen dürfte es ziemlich rasch gehen.« Sie tippte etwas auf ihrer Tastatur ein und nahm dann wieder
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