Verlorene Liebe
den Hörer in die Hand. »Louisa? Ja, ich bin’s, Eileen. Mir geht es gut, danke. Mr. Dunnigan würde gerne mit Ihnen plaudern. Ja, die übliche Rufnummer. Sie haben sie griffbereit? Ausgezeichnet … Keine Ursache. Tschüs.« Nachdem sie eingehängt hatte, faltete sie wieder die Hände auf der Schreibunterlage. »Verzeihen Sie bitte die Unterbrechung.«
»Haben Sie viele von denen?« fragte Ben. »Ich meine Stammkunden.«
»O ja. Es gibt so viele einsame, sexuell frustrierte Menschen. Und bei den heutigen Zuständen ziehen viele die Sicherheit und Anonymität eines Telefonanrufs den Risiken und Unwägbarkeiten vor, die der Besuch einer Single-Bar mit sich bringt.« Eileen lehnte sich zurück und schlug unter dem Schreibtisch die Beine übereinander. »In diesen Zeiten sind sich die meisten Menschen der Krankheiten bewußt, die durch Geschlechtsverkehr übertragen werden können. Das Sexualverhalten der sechziger und siebziger Jahre hat sich seit der zweiten Hälfte der neunziger deutlich gewandelt. Fantasy, Incorporated, bietet da durchaus eine Alternative.«
»Natürlich.« Ed sagte sich, daß sie das wohl auch ihren Kunden erzählte, die sich sicher davon beeindrucken ließen. Im Grunde genommen stimmte er ihr ja auch zu, aber im Moment war er mehr an der Erörterung des Sexualverhaltens im ausklingenden zwanzigsten Jahrhundert interessiert. »Hatte Kathleen viele Stammkunden?«
»Wie ich schon erwähnte, war sie sehr beliebt. In den letzten Tagen haben etliche ihrer Kunden hier angerufen und waren sehr enttäuscht, als sie von mir erfahren mußten, daß Desiree nicht mehr für uns tätig ist.«
»Hat sich einer ihrer Stammkunden noch nicht gemeldet?«
Eileen dachte darüber nach, wandte sich dann an ihren Computer und fragte ihn ab. »Nein … Mir ist natürlich klar, daß Sie jeden befragen müssen, der mit Kathleen zu tun hatte. Aber verstehen Sie bitte, daß die Männer, die hier anrufen, sie nur als Desiree gekannt haben. Sie war für sie nur eine Stimme und gesichtslos, nein, besser gesagt, die Kunden konnten die Stimme mit dem Gesicht ihrer Wahl versehen. Wir haben hier ziemlich strenge Bestimmungen, sowohl um dem Gesetz genüge zu tun als auch aus geschäftlichen Gründen. Unsere Damen nennen nie mehr als ihren Künstlernamen, und es ist ihnen nicht gestattet, einem Kunden ihre Privatnummer zu geben oder sich mit ihm zu treffen. Diese Art von Anonymität dient sowohl der Illusion, die wir verkaufen, als auch dem Schutz unserer Angestellten. Und keiner unserer Kunden hat die Möglichkeit, außerhalb der Büroanschlüsse von Fantasy, Incorporated, mit einer der Damen in Kontakt zu treten.«
»Wer besitzt Zugang zu Ihren Unterlagen?«
»Mein Mann, seine Schwester und ich. Wir sind ein Familienunternehmen.« Wieder klingelte das Telefon. »Meine Schwägerin besucht noch das College und besetzt nachts das Büro. Entschuldigen Sie mich bitte für einen Moment.«
Eileen hob ab und erledigte den Anruf mit der gleichen Routine wie zuvor. Ed warf einen Blick auf seine Uhr. Viertel nach zwölf. Offensichtlich erfreute sich der Telefonsex besonders in der Mittagspause großen Zuspruchs. Er fragte sich, ob die Beerdigung bereits vorüber war und Grace wieder allein zu Hause hockte.
»Tut mir leid«, erklärte Eileen, »aber bevor Sie fragen, sage ich Ihnen lieber gleich, daß unsere Unterlagen streng vertraulich sind. Keiner von uns dreien spricht je mit einem Außenstehenden über unsere Kunden oder Angestellten. Hier geht es um ein Geschäft, Gentlemen, und wir plaudern auch in Bars oder auf Partys nicht darüber. Jeder von uns achtet strikt darauf, daß wir nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten und uns im Rahmen der allgemeinen Geschäftsbestimmungen bewegen. Unsere Damen sind keineswegs Huren. Sie verkaufen nicht ihre Körper, sondern Gespräche. Wir überwachen unsere Angestellten, natürlich auf diskrete Weise, und sollte eine von ihnen sich nicht an die Regeln halten, fliegt sie sofort raus. Selbstverständlich ist uns bewußt, daß es in unserer Branche Unternehmungen gibt, bei denen auch Kinder anrufen können, und zwar auf Kosten ihrer Eltern. Ich persönlich halte solches Geschäftsgebaren für unverantwortlich und sehe darin eine ziemlich traurige Entwicklung. Wir hier bei Fantasy, Incorporated, nehmen nur erwachsene Kunden und machen jeden, bevor irgend etwas in Rechnung gestellt wird, auf unsere Geschäftsbestimmungen aufmerksam.«
»Wir sind vom Morddezernat, nicht von der Sitte«,
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