Verlorene Liebe
kamen darin überein, daß sie nur für ein Jahr bei Fantasy arbeiten sollte. In diesen zwölf Monaten wollte Mary Beth zehntausend Dollar verdienen. Damit ließe sich den vier Kindern ein hübscher Start am College ermöglichen und, wenn das Schicksal ihr und Harry gnädig war, ein weiterer Mund stopfen.
Mary Beth war jetzt schon im vierten Monat für Fantasy tätig, besaß eine ansehnliche Schar von Stammkunden und hatte die Hälfte ihres selbstgesteckten Ziels bereits erreicht.
Es machte ihr nichts aus, über Sex zu reden. Schließlich konnte man ihr nach zwölf Jahren Ehe und vier Geburten wohl kaum Prüderie unterstellen, erklärte sie ihrem Mann. Harry verfolgte mittlerweile den neuen Job seiner Frau mit Amüsement. Hin und wieder rief er sogar selbst bei ihr an, um sie zu trainieren, wie er behauptete. Er gab sich dann als Stud Brewster aus, und das brachte sie immer wieder zum Kichern.
Mochte es an ihrem mütterlichen Instinkt liegen oder an ihrem natürlichen Verständnis für Männer und ihre Probleme, die meisten Anrufer jedenfalls wollten von ihr weniger erregt werden, als sich vielmehr ausweinen. Die Stammkunden hatten bald herausgefunden, daß sie bei ihr den Frust am Arbeitsplatz oder den Streß in der Familie abladen konnten und dafür Mitgefühl und manchen guten Rat erhielten. Mary Beth klang nie so gelangweilt, wie diese Männer es von ihren Ehefrauen oder Freundinnen gewohnt waren. Sie kritisierte sie nie, und die Ratschläge, die sie ihnen erteilte, befanden sich auf dem Niveau der Kummerkastentanten in den einschlägigen Illustrierten. Doch das störte die Kunden nicht, denn darüber hinaus bekamen sie von ihr auch noch einen gewissen sexuellen Kick.
Sie war Mutter, Schwester oder Geliebte, ganz wie der Kunde es wünschte. Die Anrufer waren zufrieden, und Mary Beth fing an, sich ernsthaft zu überlegen, ob es nicht langsam an der Zeit war, die Pille abzusetzen.
Mary Beth war eine unkomplizierte Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde stand. Sie glaubte, daß die meisten Probleme sich mit etwas Zeit, gutem Willen und Selbstgebackenem aus der Welt schaffen ließen. Aber sie war nicht darauf vorbereitet, jemandem wie Jerald zu begegnen.
Er hatte sie entdeckt und lauschte ihr gern. Nacht für Nacht wartete er darauf, endlich wieder ihre Stimme zu hören. So viel Sanftheit und Ruhe ging von ihr aus.
Jerald stand kurz davor, sich in sie zu verlieben. Und bald darauf ergriff ihn eine ähnliche Besessenheit wie bei Desiree. Roxanne hatte er längst vergessen. Sie war für ihn kaum mehr als eine Art Laborratte gewesen. Mary Beth hingegen verbreitete Güte, und etwas Vertrautes, Althergebrachtes schwang in ihrem Namen mit. Sie hatte sich keinen Künstlernamen zugelegt, weil ihr der richtige Name viel zu gut gefiel und sie sich so an ihn gewöhnt hatte. Ein Mann vertraute dem Rat, den eine Frau namens Mary Beth ihm gab. So eine würde bestimmt ihre Versprechen einhalten.
Mary Beth war eine ganz neue Erfahrung für Jerald.
Er glaubte ihr. Wollte sie treffen. Und ihr unbedingt seine Dankbarkeit beweisen.
Von Frühabends bis spät in der Nacht lauschte er ihrer Stimme. Und legte sich seinen Plan zurecht.
Grace war es leid, nicht vom Fleck zu kommen und sich ständig in Geduld üben zu müssen. Eine Woche war bereits seit dem zweiten Mord vergangen, und falls die Ermittlungen überhaupt Fortschritte machten, schwieg Ed sich darüber aus. Grace glaubte, ihn zu verstehen. Er war großzügig und hatte keine Angst, seine Gefühle zu zeigen. Aber er war auch mit Leib und Seele Polizist und lebte nach den Vorschriften und seinen eigenen Regeln. Seine Disziplin konnte sie respektieren, sein Schweigen jedoch frustrierte sie. Die Zeit, die sie mit ihm verbrachte, wirkte sehr beruhigend auf sie. Wenn sie allerdings allein war, verfiel sie unweigerlich ins Grübeln. Und so fing sie eines Tages an, einen Plan zu schmieden.
Zuerst suchte sie bestimmte Personen auf. Die Treffen mit Kathleens Anwalt und dem Privatdetektiv, den sie angeheuert hatte, brachten kein Licht ins Dunkel. Beide konnten ihr kaum etwas erzählen, was sie nicht längst wußte. Dabei hatte sie so sehr gehofft, von ihnen irgendwelche Informationen zu erhalten, die sie gegen Jonathan einsetzen konnte. Tief in ihrem Herzen war er für sie immer noch der wahre Schuldige, obwohl ihr Verstand ihr immer häufiger das Gegenteil sagte. Aber Vorurteile haben ein zähes Eigenleben. Am Ende mußte Grace sich eingestehen, daß Jonathan der
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