Verlorene Liebe
an dem Abend ins Kennedy Center. Er war um dreiundzwanzig Uhr zurück. Schließlich mußte er am nächsten Tag in die Schule.«
»Und wo war er vergangene Nacht?« fragte Ben.
»Gestern war er den ganzen Abend über zu Hause. Wir haben bis gegen zweiundzwanzig Uhr Schach gespielt.«
Ed notierte sich alles. »Könnte sich einer Ihrer Mitarbeiter Ihrer Kreditkarte bedienen. Oder kennt sonst noch jemand die Kartennummer?«
»Nein.« So wie Morgan dieses Wort aussprach, wurde klar, daß seine Geduld und sein Wille zur Kooperation erschöpft waren. »Meiner Meinung nach ist jemandem in der Blumenhandlung ein Fehler unterlaufen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden.«
»Vielen Dank für Ihre Mühe.« Ed erhob sich und steckte das Notizbuch weg. Er hatte bereits beschlossen, sich spätestens im Revier eine Extradosis Vitamin C zu verabreichen. »Wenn Ihnen noch irgendein Grund dafür einfallen sollte, warum man mit den Blumen Ihr Konto belastet haben könnte, lassen Sie es uns bitte wissen.«
Margaret schien es Genugtuung zu bereiten, die beiden zur Tür zu bringen. Als die Tür hinter ihnen vernehmlich ins Schloß fiel, schob Ben die Hände in die Hosentaschen. »Irgendwas sagt mir, daß der Abgeordnete etwas zu verbergen hat.«
»Ja. Die Teilnehmer der Spendenparty zu überprüfen, dürfte nicht schwierig sein, ich würde mich aber trotzdem lieber zuerst mit der Tochter des Senators unterhalten.«
»Da stimme ich dir zu.«
Sie liefen zum Wagen zurück. Trotz Bens Protesten nahm Ed hinter dem Steuer Platz. »Weißt du, Tess hat da vorhin etwas gesagt, das mir einfach nicht aus dem Kopf will.«
»Und was?«
»Nun, daß man nur den Hörer von der Gabel zu nehmen braucht, um sich alles ins Haus kommen zu lassen. Ich mache das ja genauso.«
»Pizza oder Pornographie?«
»Spachtel und Makulatur. Ich habe mir letzten Monat eine Ladung davon kommen lassen. Der Verkäufer wollte erst meine Kreditkartennummer wissen, bevor er die Lieferung zusammengestellt hat. Wie oft hast du schon am Telefon deine Kreditkartennummer durchgegeben? Heutzutage braucht man doch nur noch die Nummer und den Namen zu nennen. Ausweis oder Unterschrift sind längst nicht mehr erforderlich.«
»Stimmt.« Ben ließ sich seufzend auf dem Beifahrersitz nieder. »Ich schätze, das engt den Kreis der Verdächtigen auf lediglich ein paar hunderttausend ein.«
Ed startete. »Wir können immer noch hoffen, daß Michael seine Julia versetzt hat.«
10. Kapitel
Mary Beth Morrison war eine geborene Mutter. Schon im Alter von sechs Jahren hatte sie eine ganze Kollektion von Puppen besessen, die gefüttert, gewickelt und angezogen werden mußten. Einige von ihnen hatten sprechen, andere laufen können, aber Mary Beths Herz konnte sich ebenso für ein altes Stofftier, dem eines der Knopfaugen fehlte und ein Arm aufgerissen war, erwärmen.
Im Gegensatz zu anderen Kindern beschwerte sie sich nie über die Arbeiten im Haushalt, die ihre Eltern ihr zuwiesen. Sie liebte es sogar, zu waschen und Staub zu wischen. Mary Beth besaß ein kleines Bügelbrett, einen Miniaturherd und ein Teeservice. Im Alter von zehn verstand sie sich schon besser aufs Backen als ihre Mutter.
Ihr einziges Lebensziel bestand darin, einen eigenen Hausstand zu gründen und eine Familie um sich zu scharen, um die sie sich kümmern konnte. Visionen von Chefetagen in großen Unternehmen oder mit wichtigem Inhalt gefüllten Aktenkoffern waren nie über sie gekommen. Mary Beth sehnte sich nach einem hübschen weißen Gartenzaun und einem Kinderwagen.
Sie glaubte fest daran, daß jeder, gleich ob Mann oder Frau, das tun sollte, wozu er und sie am besten geeignet war. Ihre Schwester hatte studiert und war in eine vornehme Anwaltskanzlei in Chicago eingetreten. Mary Beth war stolz auf sie. Sie bewunderte die schicken Sachen, die ihre Schwester trug, wie sie vor Gericht das Recht vertrat und mit wie vielen interessanten Männern sie zusammenkam. Doch sie verspürte keinerlei Neid, denn so etwas war ihr zutiefst wesensfremd. Mary Beth schnitt lieber Gutscheine aus Zeitungen aus und buk Plätzchen für den Schulbasar. Für einige Zeit nahm sie auch aktiv an der Kampagne teil, die für Frauen gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit forderte – obwohl sie ja doch nie Mitglied der arbeitenden Bevölkerung gewesen war.
Mit neunzehn heiratete sie ihre Jugendliebe. Diesen Jungen hatte sie sich schon in der Grundschule als ihren Zukünftigen ausgesucht. Er
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