Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)
gefallen.
„Wo ist er jetzt?“ Pütz hob den Kopf leicht an und stellte sofort fest, dass das keine gute Idee war. Sie ließ ihn wieder auf das Kissen sinken.
„Er hat Verstärkung angefordert und er selber sucht nach ihrem Schlüssel.“
Der Kerl im Durchgang.
Ihre Augen flogen herum. Ein Anschluss an der Wand. Links von ihr. Sauerstoff. Gegenüber ein Schrank, darunter eine Kommode, sechs Schubladen, alle rechts oben beschriftet.
Abgehängte Decke, Aluminiumfarben umrahmte weiße Quadrate, Lochmuster, sechs mal acht Stück. Dazwischen drei Einbaulampen mit je zwei schmalen Neonröhren.
Alles andere verbarg der Vorhang und die nette Krankenschwester, die nun Pütz Hand losließ.
Da war sie wieder, die Zählmacke.
So ähnlich wie in Cheb beim Besuch der Streetworkerin. Erweiterte Konzentration.
Kein Herzrasen.
Bedeutete diese Tatsache, dass es für sie ungefährlich war? Solange ihr Herz mitspielte, konnte sie ihre Panikattacken sinnvoll nutzen?
Letzte Nacht hattest Du Herzrasen.
Da war auch ein Killer hinter dir her. War es ein Killer?
„Ich hatte nach dem Ohnmachtsanfall wieder eine Panikattacke. Aber diese Attacken fallen im Moment anders aus, als noch vor dem Herzinfarkt“, sagte sie und beobachtete die Reaktion des Professors.
Er atmete tief durch, legte seine Hände auf den Schreibtisch vor sich und schien zu überlegen. Pütz konnte erkennen, wie es in seinem klugen Kopf ratterte. Schließlich hob er seine rechte Hand und sein Zeigefinger machte kurze, schnelle Bewegungen, ohne dass er etwas von sich gab.
„Frau Doktor“, sagte er schließlich doch und sein Zeigefinger drohte immer noch auf diese seltsame Art, „Das sind Symptome, die Sie besser an anderer Stelle beheben lassen. Wenn sie sich überhaupt beheben lassen. Wir hier können nichts mehr für sie tun. Genießen Sie noch einige Tage die Annehmlichkeiten unseres Hauses, dann würde ich Ihnen dringend anraten, einen Spezialisten aufzusuchen, der sich mit solchen Zwangsstörungen auskennt. Wozu die in der Lage sind, brauche ich Ihnen ja nicht mehr zu erläutern.“
Der Finger hörte auf, zu wedeln.
Fünf Minuten später war Carola Pütz schon auf dem Weg in ihr Zimmer, das sie mit einem Zweitschlüssel aufschloss. Der Originalschlüssel blieb verschwunden.
Sie nahm das Handy von der Kommode und ärgerte sich erneut darüber, dass sie Winterhalter noch nicht auf Kurzwahl gespeichert hatte.
„Wie geht es Marie?“, fragte sie, als der Journalist sich meldete. Sie schüttelte den Kopf, über ihre eigene Unhöflichkeit, hätte sie sich doch erst nach dem Befinden Winterhalters erkundigen müssen.
„Eliska ist verschwunden, ebenso Matej und Tereza. Ich werde nachher nach Cheb fahren . Katharina Schuberth will nach den Kindern suchen. Wollen Sie mich begleiten? Achja, Marie geht es gut, sie hat nur einen fetten Haufen auf den Teppich gesetzt.“
Innerliche stöhnte Carola Pütz auf. Sie schloss ihre Augenlider.
Ich brauche keine weitere Panikattacke!
*
Cheb
Pavels Hand wanderte wieder in seinen Rucksack, der vor ihm auf dem Boden stand. Er holte ein in Butterbrotpapier eingewickeltes Etwas hervor , warf den Rucksack achtlos neben sich. Mit sachten Gesten wickelte er das Brot aus, als handelte es sich um einen Schatz.
„Mehr habe ich auch nicht mehr dabei“, sagte er und blickte in die Runde. Tereza und Eliska saßen gegenüber, mit müden Augen in ihre Decken gewickelt. Die Haare der Kleinen standen wirr vom Kopf ab. Sie strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht, schon zum zweiten Mal. Sie vermisste das morgendliche Kämmen der Haare, solange bis das Rabenschwarz der Locken wie frischer Teer glänzte. Mehr Luxus durfte sie sich nicht gönnen.
„Aber ich teile es mit euch, ist doch klar“, fügte er hinzu und reichte eines der Brote herüber zu Eliska. Belohnt wurde er durch ein Strahlen aus den warmen Augen Eliskas. Sie nahm das Brot und wollte es in der Mitte durchbrechen, doch Tereza legt e ihr die Hand auf den Arm, um sie daran zu hindern.
„Iss Du, Eli“, sagte sie ganz ruhig.
„Aber Du hast doch sicher auch Hunger, Tereza“, widersprach Eliska mit einem Zweifeln in ihrer Stimme.
„Nein, habe ich nicht“, log ihre Schwester. Sie nickte ihrer kleinen Schwester aufmunternd zu.
Die biss voller Appetit in das Brot, kaute genüsslich auf dem Sauerteig.
„Wir müssen nachher etwas zu Essen besorgen“, bemerkte Matej, dem klar war, dass sie für die jetzt auf vier Personen
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